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Archiv-Artikel

Du wirst uns fehlen, Dolly

Der Welt erstes Klon-Säugetier wurde am Freitag eingeschläfert. Die genaue Todesursache soll eine Untersuchung klären. Nachruf auf ein einzigartiges Schaf

BERLIN taz ■ Die berühmteste Schottin seit Maria Stuart ist tot. Am Freitag wurde das Klonschaf Dolly im Alter von sechseinhalb Jahren eingeschläfert. Sie litt an einer „fortschreitenden Lungenkrankheit“, so ihr Schöpfer Ian Wilmut vom Roslin-Institut in Edinburgh. Näheres könne er jedoch erst in den kommenden Tagen sagen, wenn die Ergebnisse einer Autopsie vorliegen.

Sie war von Anfang an ein Star, doch sie hat es sich nicht anmerken lassen. Im Jahr 1997, kurz nachdem die Wissenschaftler des Roslin-Instituts ihre Geburt bekannt gegeben hatten, wurde sie in einer britischen Umfrage in der Sektion „bedeutendste Frau“ bereits auf Platz 6 gewählt, nur knapp geschlagen von der Queen auf Platz 4. Dolly war noch nicht richtig erwachsen, da wurde in Großbritannien schon ein Wettbewerb für den schönsten Pullover aus ihrer Schur ausgeschrieben. Der Pullover mit dem prämierten Strickmuster ist bis heute in einer Dauerausstellung des Science Museum in London zu bewundern. In einem Museum wird sie nun auch enden: Das National Museum of Scotland will ihre präparierte Hülle zeigen.

Das aus dem Euter eines sechs Jahre alten Tieres vaterlos entstandene Klonschaf kam in Anlehnung an die Country-Sängerin Dolly Parton und deren ebenfalls ausgeprägte Oberweite zu seinem Namen. Am 5. Juli 1996 wurde Dolly geboren, nachdem mehr als 270 Versuche der unnatürlichen Schafvermehrung fehlgeschlagen waren. Die Welt reagierte voller Empörung auf das kopierte Tier, dessen Geburt erst am 27. Februar 1997 in der Fachzeitschrift Nature bekannt gegeben wurde. Es war das erste Säugetier, das aus einer erwachsenen und nicht etwa aus einer Eizelle heraus entstand.

Doch schon bald gewöhnte man sich an das irgendwie immer melancholisch dreinschauende Schaf. Mitleid trat an die Stelle von Entsetzen. Denn Dolly hatte es nicht leicht. Mit dem Medienrummel ging sie noch ganz gut um. Doch am 13. April 1998 wurde sie Mutter von Bonnie, später noch von drei weiteren Lämmern. Sie entstanden angeblich auf natürlichem Wege, um zu beweisen, dass sich Klontiere „normal“ fortpflanzen können. Vater soll ein walisischer Bock namens David gewesen sein.

Doch so weit war es ohnehin nicht her mit der Normalität. Sie war ständig in Kontakt mit Menschen, die bahnbrechende Forschungsergebnisse erwarteten. Schon in jungen Jahren fing Dolly an zu kränkeln. Sie bekam Rheuma und arthritische Beschwerden. Dolly alterte vorzeitig, Lunge und Kreislauf machten nicht mehr richtig mit. Damit bestätigte Dolly die Befürchtungen der Klongegner, die davor gewarnt hatten, dass duplizierten Lebewesen diverse Gesundheitsgefahren drohten. Dabei denken sie nicht nur an die inzwischen praktisch komplett geklonte Haustierriege, sondern auch an die kürzlich angeblich geborenen ersten Menschenbabys aus erwachsenen Klonzellen.

Jetzt ist Dolly just in dem Alter gestorben, da sie addiert mit den sechs Jahren ihrer Kopiervorlage die normale Lebenserwartung eines Schafes von zwölf Jahren erreicht hatte. Wir werden dich vermissen. Dolly, du warst einmalig. WERNER BARTENS

Der Autor ist Redakteur bei der Badischen Zeitung