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Archiv-Artikel

Viele Behles im Feld der Ski-Langläufer

Stützpunkttraining – hinter diesem Wort stecken die Erfolge der deutschen Ski-Langläufer. Bundestrainer Jochen Behle puzzelt die Einzelteile zu einem Ganzen zusammen, das auch bei der WM in Val di Fiemme Medaillen verspricht

BERLIN taz ■ Jochen Behle ist durch eine legendäre TV-Fahndung bekannt geworden. Der Reporter Bruno Moravetz suchte seinerzeit verzweifelt nach dem Ski-Langläufer Behle, weil es in den 80ern nur diesen Behle in der Spitze des deutschen Langlaufs gab. Und wenn der dann auf ewig im Hochwald verschollen schien, kam das einer kleinen Katastrophe gleich. Der mittlerweile als Bundestrainer arbeitende 28-malige deutsche Meister hat seinen Spaß an der Pointe, dass es die Moderatoren heute viel leichter haben. Sie müssen nicht nur einen Behle aus dem Läuferfeld fischen, es sind mittlerweile viele, die sich in die Weltspitze gelaufen haben. Behle sagt: „Die geballte Masse an Topleuten, die bisher nur die Schweden und Norweger aufzuweisen hatte, ist unser Plus.“ Dadurch sei Erfolg garantiert.

René Sommerfeldt zum Beispiel trug in dieser Saison lange Zeit das rote Trikot des Weltcup-Führenden, erst im Januar hat es ihm der Schwede Mathias Fredriksson abgenommen. Aber nicht nur Sommerfeldt loipelt vorn mit. Jens Filbrich, Tobias Angerer, Manuela Henkel oder Evi Sachenbacher sind die Namen derer, die für eine neue Vielfalt im deutschen Langlauf-Lager stehen. Und es sorgt noch immer für Überraschung, dass die Langläufer des Deutschen Ski-Verbands (DSV) in der Weltspitze mitmischen, Olympia-Medaillen gewinnen und das Fernsehen hierzulande seine Sendezeiten von 82 Stunden (im Jahr 2000) auf 146 im vergangenen Winter hochgeschraubt hat.

Wie es dazu gekommen ist? Jochen Behle hat darauf eine recht simple Antwort parat: „Stützpunkttraining“, sagt der 42-Jährige lapidar. Drei Zentren findet man auf der Landkarte des deutschen Ski-Langlaufs: Oberhof, Ruhpolding und Oberwiesenthal. Bei der Weltmeisterschaft, die heute in Val di Fiemme beginnt, soll die nordische Dreifaltigkeit zwischen Bayern, Thüringen und Sachsen wieder zu Medaillen führen, vor allem in den Staffel-Wettbewerben. Als Behle den Posten antrat, hat er als Erstes mit dem Kompetenzgerangel zwischen Bundes- und Heimtrainern aufgeräumt. Jetzt ist die Sache klarer geregelt. Behle hat das Training ganzjährig in die Hände der Stützpunkttrainer gegeben, „dadurch wechselt es nicht mehr hin und her“. Seine Aufgabe, beschreibt er bildhaft, komme der einer Lokomotive gleich: „Wenn ein Zug fährt, muss auch eine Lok dran sein.“ Die Lok heißt Jochen Behle.

Der Austausch zwischen den drei Zentren funktioniert: „Das Vertrauen ist besser geworden, es geht Hand in Hand, deswegen ist Zufriedenheit und Ruhe im Team“, sagt Behle. Einmal im Monat finden DSV-Lehrgänge statt. Man öffnet die eigenen Archive und schürt das Konkurrenzdenken. Zwar werden überall die gleichen Kilometerumfänge auf Skirollern und in der Loipe absolviert – zwischen 9.000 und 11.000 –, doch Ruhpolding hat sich mehr auf den Sprintbereich konzentriert, Oberwiesenthal schickt seine Schützlinge auf lange Strecken, Oberhof wiederum macht’s kurz und lang. In allen drei Zentren trainieren Spitzenathleten, die unter die Top 10 laufen können. Und: Männer und Frauen üben zusammen. „Die Frauen profitieren enorm davon“, sagt Behle, außerdem seien solche Gruppen psychologisch leichter zu führen.

Behles Verdienst ist es, Selbstbewusstsein und Gemeinschaftsgefühl zu vermitteln, das den deutschen Langläufern meist gefehlt hat „Wir haben über Jahre eine Entwicklung hinter uns, in unserem Geschäft ist richtig Leben drin“, sagt der Oberhofer Trainer Cuno Schreyl, vor allem aber habe man es geschafft, den Nachwuchs in die Weltspitze zu führen. Keiner anderen Nation sei das so schnell geglückt wie dem DSV, sagt Schreyl. Dazu kommt, dass die DSV-Wachstruppe ihr Handwerk immer besser versteht und die Langläufer, wie Schreyl behauptet, „dopingmäßig wieder unter Normalnull spielen“. Behle ergänzt: „Der negative Höhepunkt ist sicher überschritten. Alle sind gewarnt. Man kann es kaum noch riskieren, etwas zu nehmen.“ Soll heißen: Er glaubt, dass nun alle mit den gleichen Mitteln kämpfen.

Wenn man einen Blick auf Meldungen dieses Winters wirft, tut man sich allerdings schwer, Behles Sauberkeitsverdikt so ganz ernst zu nehmen. Der Langlauf ist noch immer durchsetzt mit Nachrichten über Doping. Es tauchten Berichte über manipulierte Blutproben bei der Skandal-WM in Lahti 2001 auf, wo reihenweise finnische Läufer ertappt wurden. Bei Olympia wurden Johann Mühlegg und zwei Russinnen überführt. Und der Schwede Bengt Saltin, Vorsitzender der medizinischen Kommission des Weltverbandes FIS, teilte kürzlich mit, 15 Läufer seien in diesem Jahr mit abnormen Blutwerten aufgefallen. Behle wurde nach Bekanntwerden dieser Meldung recht barsch. Saltin solle doch mit den Namen herausrücken, alles andere schade nur der Sportart. So viel ist sicher: Im Hochwald suchen muss diesen Behle keiner mehr.

MARKUS VÖLKER