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Archiv-Artikel

Das Land will nicht mehr Versicherer sein

Senat und brandenburgische Landesregierung beschließen die Privatisierung der Feuersozietät

Ob das Schildchen mit dem Adlersymbol an tausenden von Hauseingängen und die Traditionsfirma zumindest als Marke erhalten bleibt, ist noch offen. Fakt hingegen ist, dass die bislang staatliche Feuersozietät/Öffentliche Leben in andere Hände gehen soll. Der Senat und das brandenburgische Kabinett haben gestern beschlossen, sich von dem Versicherungsunternehmen zu trennen, das bis 1718 zurückreicht und je zur Hälfte beiden Ländern gehört. Die Parlamente müssen diesen Beschluss und eine Umwandlung in eine Aktiengesellschaft noch bestätigen. Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) erwartet einen Verkauf bis Jahresende.

Dieser Schritt ist der dritte größere Versuch des rot-roten Senats, sich von einer Landesbeteiligung zu trennen. Die Veräußerung des Wohnungsbauunternehmen GSW war im Januar gescheitert, weil dem Senat das Angebot von 219 Millionen Euro nicht ausreichte. Bei der Bankgesellschaft prüft die Finanzverwaltung nach eigenen Angaben bis mindestens Ende Februar die vorliegenden beiden Angebote.

Die rund 550 Mitarbeiter zählende Feuersozietät, als Rückversicherer stark engagiert, hatte durch die Anschläge vom 11. September Millioneneinbußen erlitten. Auf Drängen der Bundesanstalt für das Finanzdienstleistungswesen hatten Berlin und Brandenburg Ende vergangenen Jahres je 23 Millionen Euro nachschießen müssen. Laut Wirtschaftsverwaltung war aber nicht das der Anlass für den Verkaufsbeschluss. „Die Verhandlungen über eine Privatisierung laufen schon länger“, sagte Sprecher Christoph Lang.

Wolf hatte den Verkauf bereits als Oppositionspolitiker in den 90ern gefordert. Als Senator hielt er daran fest. „Ich bin der Auffassung, dass es weder öffentliche Aufgabe ist, Teller und Tassen zu produzieren, noch das Versicherungsgeschäft zu betreiben“, sagte er im November im Abgeordnetenhaus. „Recht hat er“, meint der grüne Finanzexperte Jochen Esser. Der Staat solle sich nur dort als Unternehmer engagieren, wo sich strukturell nicht kostendeckend arbeiten lasse, etwa bei Theatern.

Zum möglichen Verkaufserlös mochte sich gestern weder Wolf noch die für den Verkauf zuständige Finanzverwaltung äußern. Laut Esser waren Ende 2001 noch 120 Millionen Euro im Gespräch. Wolf hat allerdings im Parlament schon vorgebaut: Die Privatisierung werde durch die jüngst aufgetretenen Kapitalprobleme „erheblich belastet und wird nicht zu dem finanziellen Erfolg führen, den man sich vielleicht vor einem Jahr noch erhofft hat“.

Angeblich ist der Allianz-Konzern an der Feuersozietät interessiert. Der Versicherungsriese bezeichnete das gegenüber der taz als Gerücht. Auch Wolf mochte weder bestätigen noch dementieren: „Es gibt Interessenten, aber ich werde mich jetzt nicht zu einzelnen äußern.“

STEFAN ALBERTI