: Warten im neuen Wüsten-Hauptquartier
In wenigen Stunden wäre die Kommandozentrale der US-Streitkräfte in Katar für einen Krieg bereit. Auch die Räume für das Pressezentrum werden schon hergerichtet. Die Bevölkerung des Emirats lehnt die Anwesenheit der Amerikaner ab und beruft sich dabei auch auf den Koran
DOHA taz ■ Ein Kühlschrank surrt schon in der Ecke: Eisgekühltes Wasser steht bereit. So wie es bei Pressekonferenzen von den Rednern am Podium getrunken wird. Ansonsten sieht der Raum noch unfertig aus. Demonstrativ unfertig. „Wir wollen nicht, dass Sie berichten, hier sei schon alles bereit für den Krieg“, bestätigt Major Dan Amos, der eine kleine Gruppe von Journalisten durch das Pressezentrum führt. Durch das zukünftige Pressezentrum des zukünftigen Hauptquartiers der US-Streitkräfte am Golf, sollte man sagen.
Vom Stützpunkt As-Sailiyya kurz außerhalb der katarischen Hauptstadt Doha aus soll der Krieg gegen den Irak koordiniert werden. Das Computerzentrum, von dem aus jede Flugbewegung, jeder Angriff und jede Bombe gesteuert und kontrolliert werden soll, könnte innerhalb weniger Stunden hochgefahren werden. Die Spezialisten sind zum Teil schon da, andere warten noch in den USA auf den Abflugbefehl. Dann könnte es losgehen. Auch das Pressezentrum, in dem der Oberkommandierende Tommy Franks dann seine täglichen Briefings abhalten wird – jeden Tag um 17 Uhr Ortszeit, damit das Frühstücksfernsehen in den USA die Meldungen verbreiten kann – wäre im Ernstfall schnell parat.
Die Polstersessel müssen noch in Linie gerückt werden. In manchen Räumen fehlen ein paar Möbel, und in der Vorhalle ein Cola-Automat, damit die rund 200 Journalisten, die hier erwartet werden, auch etwas zu trinken bekommen. Der Geruch von Farbe wird dann dem von Atemluft, Aufregung und Hektik weichen. Und es muss natürlich noch das Herzstück des Pressezentrums installiert werden: die große Leinwand hinter dem Rednerpodium. Schließlich brauchen die Kameras Bilder, und die US-Armee will ihre Erfolgsmeldungen mit Videos und Satellitenbildern belegen. „Den Amerikanern glaubt doch eh keiner mehr“, sagt Amr. Er ist Student an der Universität von Doha: „Das ist ‚Photoshop‘-Wahrheit. Jeder weiß, wie einfach man heutzutage Bilder am Computer bearbeiten kann“, sagt er.
Amr sitzt in einem Internetcafé in einer von Dohas Shopping Malls. 20 Kilometer Luftlinie sind es vielleicht bis zum Hauptquartier der Amerikaner. Im vergangenen Jahr habe er noch manchmal US-Soldaten in der Stadt gesehen. „Jetzt aber schon lange nicht mehr“, berichtet der 23-Jährige. Kein Wunder, denn die Soldaten haben zum großen Teil Ausgangsverbot oder dürfen nur unter strengen Sicherheitsbestimmungen ihre Camps verlassen. Insgesamt sind derzeit schätzungsweise 6.000 US-Soldaten in Katar stationiert. Für die Bevölkerung weitgehend unsichtbar.
„Die Menschen sind nicht offen feindselig zu uns, aber auch nicht gerade freundlich“, sagt Major Dan Amos. Um Konflikte zu vermeiden, bleiben die Soldaten lieber im Camp. Die große Mehrheit der Katarer ist gegen einen Krieg im Irak und dagegen, dass die Amerikaner ihn von Katar aus führen. Katar ist ein sehr religiöses Land. Islam und Traditionen spielen eine große Rolle. In den vergangenen Jahrzehnten haben sich viele junge Männer freiwillig für den Dschihad in Afghanistan gemeldet, und in Doha haben Islamisten aus verschiedensten Ländern ein neues Zuhause gefunden. Kein Wunder also, dass die Ablehnung des US-Hauptquartiers in erster Linie religiös begründet wird. „Es ist unrecht“, sagt der Student Amr. „In diesem Punkt sind sich alle Rechtsgelehrten einig“, sagt Hamed al-Hamed al-Marwani, Professor an der islamischen Fakultät von Doha: „Es ist islamisch verboten, den Amerikanern für diesen Angriff auf ein muslimisches Bruderland Boden zur Verfügung zu stellen.“
Scheich al-Shammari, der Vorsitzende des islamischen Gerichts von Doha, geht noch einen Schritt weiter: „Aus islamischer Sicht ist dieser Angriff abzulehnen, aber auch aus politischen, humanitären und Gründen des internationalen Rechts, sind wir Muslime dagegen“, sagt er. Der Krieg werde die gesamte Region gefährden. „Und übrigens: Wir Muslime wären auch gegen den Krieg, wenn er sich nicht gegen den Irak, sondern gegen ein nichtislamisches Land richten würde“, fügt er hinzu.
Starke Worte, Kritik an der Regierung des Emirs. „Na ja, man muss auch verstehen“, sagt da der Scheich schon versöhnlicher: „Wir sind ein kleines schwaches Land, da können wir den Amerikanern schlecht unsere Gastfreundschaft verweigern. Aber recht ist es nicht.“ Katar ist ein sehr ruhiges Land. Hier wird selten demonstriert. „Das passt nicht zu uns“, erklärt Amr. „Aber vielleicht lernen wir es ja, wenn der Krieg jetzt wirklich anfängt.“ JULIA GERLACH