: In homöopathischer Dosis
Wo bleiben die von Ministerpräsident Wulff versprochenen Stipendien für Studierende? Das fragt die Opposition in Niedersachsen. Neue Studie bringt Bewegung in den Konflikt um die Studiengebühren
VON KAI SCHÖNEBERG
Der Schaden in den Universitätsstädten war groß: Obwohl Ministerpräsident Christian Wulff noch in der heißen Wahlkampfphase Erleichterungen bei den Studiengebühren versprochen hatte, verlor seine CDU hier noch mehr Prozente als im Landesdurchschnitt. Zehn Monate später hat das Thema Studiengebühren durch die Studie des Hochschulinformationszentrums (HIS) für Schwarz-Gelb in Niedersachsen an Brisanz nicht gerade verloren.
Man werde sich „die Erhebungen ganz genau anschauen“, betonte Wulff kurz vor dem Bildungsgipfel am Mittwoch in Dresden. Hier stritten sich SPD und CDU erneut über die Untersuchung, nach der bundesweit 18.000 Studienberechtigte des Abiturjahrgangs 2006 wegen der Gebühren nicht studiert haben sollen. Besonders Frauen und Jugendliche aus bildungsfernen Schichten sind offenbar betroffen. Eine Abschaffung der Gebühren im Land forderten umgehend SPD, Grüne und Linkspartei. Sie argumentieren: Hätten 2007 nur 61 Prozent der niedersächsischen Abiturienten ein Studium angefangen, seien es im Jahr 2003 – also ohne Campus-Maut – noch 79 Prozent gewesen.
Wissenschaftsminister Lutz Stratmann (CDU) betont dagegen, die Zahl der Studienanfänger liege fast zehn Prozent über dem Bundesschnitt – trotz Gebühren. Außerdem kämen die Studienbeiträge – 500 Euro pro Semester, rund 100 Millionen Euro im Jahr – ausschließlich den Hochschulen zugute.
Die Opposition will es jetzt genau wissen. Die Grünen forderten am Mittwoch eine Befragung der Abiturjahrgänge 2004 bis 2008. Sie soll zeigen, warum Zugangsberechtigte in Niedersachsen nicht studieren. „Das Gesetz muss früher evaluiert werden als wie vorgesehen zum 30. Juni 2010“, sagt die Grüne Gabriele Heinen-Kljajic.
Indessen wartet die SPD immer noch auf die von Wulff versprochenen Stipendien für ehrenamtliche tätige, überdurchschnittlich kluge oder auch bloß aus kinderreichen Familien stammende Studierende. „Offenbar ist es Wissenschaftsminister Stratmann peinlich, eingestehen zu müssen, dass er beim Finanzminister nur eine Million Euro hat locker machen können“, sagt die SPD-Hochschulexpertin Gabi Andretta. Eine Million nämlich hat das Land im kommenden Jahr für die Stipendien vorgesehen, 2011 sollen es drei Millionen sein. Andretta hält das angesichts von 140.000 Studierenden im Land für eine „homöopathische Dosis“. Selbst wenn – wie angekündigt – die Universitäten selbst und die Wirtschaft noch mal die selbe Summe locker machten, könnten am Ende nur 9.000 Studenten im Land von den Gebühren befreit werden.
Mit dem Finanzierungsmodell mogele sich das Land aus der Verantwortung, ärgert sich Heinen-Kljajic. Wenn auch die Unis für die Stipendien zahlen sollten, kämen indirekt die Studierenden für die Stipendien ihrer Kommilitonen auf.
„30 Jahre ohne Studienbeiträge haben auch nicht zu mehr Bildungsgerechtigkeit an den Hochschulen geführt“, sagt derweil Wolfgang-Uwe Friedrich. Der Präsident der Universität Hildesheim ist nicht nur ein Befürworter von Studiengebühren, er soll auch für die Landeshochschulkonferenz mit dem Wissenschaftsministerium das neue Stipendienmodell aushandeln. Was er plant, will Friedrich noch nicht sagen.
Aber: Einen einfachen Job hat er wohl nicht. Ob Wirtschaft und Unis für die Stipendien zahlen, ist laut einem Stratmann-Sprecher offenbar noch unklar. Fraglich ist auch, wie dafür gesorgt werden kann, dass Bafög-Berechtigte nicht zusätzlich in den Genuss von Stipendien kommen. Um zu verhindern, dass etwa der Asta Antragssteller zu „Ehrenamtlichen“ und somit Gebührenbefreiten stempelt, könnte als Beleg eine „Ehrenamtskarte“ gelten – die würde erst nach dreijähriger Tätigkeit ausgeteilt.
Fakt ist: Auch Wulff ist für die Evaluierung der Studiengebühren. Dabei macht ihm jedoch vor allem Eines Sorge: Gerade mal 2,1 Prozent der Berechtigten nehmen Beitragsdarlehen in Anspruch.