: Lesen bis TÜV kommt
Viele Ruhrkommunen schaffen ihre Bücherbusse ab. Dabei leihen dort viele Menschen Medien aus
RUHR taz ■ Wenn der Bus der Gelsenkirchener Bibliothek durch die Straßen der Vororte fährt, klappert es schon mal. Gerade so eben ist er nochmal durch den TÜV gekommen, und hat damit nicht nur sich vor der Verschrottung bewahrt. „Solange der Bus hält, behalten wir unsere Fahrbücherei“, sagt Büchereileiterin Dörte Hundrieser. „Einen neuen wird es wohl nicht geben.“ Ende 2005, sagt die TÜV-Plakette. „Dann ist der Bus auch endgültig abgeschrieben“, sagt Dörte Hundrieser.
Trotzdem sollte der Bücherbus ab Januar schon nicht mehr rollen. Den „hartem Kampf“ mit der Stadt gewann die Bibliotheksleiterin. Die nächsten zwei Jahre können die 3.600 Stammkunden noch im bunten Bus nach Lesestoff suchen, „dann kommen viele bestimmt gar nicht mehr“, sagt Dörte Hundrieser. Die meisten Nutzer des Gelsenkirchener Bücherbusses sind nämlich sehr jung, oder eben sehr alt. „Die alten Menschen schaffen es einfach nicht mehr in die Bibliothek“, sagt Hundrieser. „Und jüngere Kinder sind plötzlich darauf angewiesen, dass ihre Eltern sie in die Bibliothek fahren.“ Vielleicht, fürchtet die Büchereichefin, hören sie dann auf, zu lesen. „Überall wird darüber geklagt, dass Kinder nicht mehr lesen, und wir legen ihnen selbst die Steine in den Weg.“ Schon lange sehen die finanzschwachen Ruhrkommunen bei den Bücherbussen Einsparpotenzial. Fast ein Jahr lang stritt in Recklinhausen eine Bürgerinitiative für den Bus. Er fährt schon seit Monaten nicht mehr. Und auch die drei Bochumer Busse stehen nutzlos in irgendeiner städtischen Garage. „Bei nur 165 Stammlesern lohnen sich die Kosten nicht mehr“, sagt die Bochumer Büchereileiterin Irmgard Mämecke und verweist auf das Ergebnis einer büchereieigenen Umfrage. Eine erstaunlich niedrige Zahl, die wohl in erster Linie eine Ursache hat: Lesende Kinder wurden nicht mitgezählt - obwohl sie, zumindestens in den anderen Kommunen, die häufigsten Busnutzer sind. “Ungefähr 60 Prozent unserer Busleser sind unter 10“, sagt Karin Anlauf von der Stadtbibliothek der Nachbarstadt Herne. Hier steht der Bus, den sie „Schmökermolly“ nennt, auch vorerst nicht zur Debatte. „Bei 6.300 Lesern wäre das auch eine Schande“, sagt Anlauf. Auch die Gelsenkirchener Bibliotheksleiterin hat hohe Nutzerzahlen zu bieten. Nur, dass sie ihren Bus nicht jünger machen können. Und offenbar auch den Stadtrat nicht überzeugen können.
Andere Kommunen ist die Attraktivität ihrer Bibliothek da wichtiger. Schwelm, Sprockhövel, Hattingen und Witten wollen demnächst an Kiosken Bücher verleihen. „Mehr Kosten verursacht das nicht“, sagt Schwelms Kämmerer Jürgen Voss. „Und im Bücherverleih kürzen wollen wir nicht.“ MIRIAM BUNJES