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Archiv-Artikel

Turning Tables

Von TW

Der DJ: ist längst Traumberuf. Er mutierte vom simplen Plattendreher zum scratchenden, mixenden, cuttenden Turntableartisten. Ein Meister der Massenpsychologie. Mancher prominente Plattenaufleger philosophierte so gekonnt von seinem Handwerk, dass man hätte meinen können, das Rad oder doch zumindest die Tonsetzung sei neu erfunden worden. Der Künstlerstatus scheint gesichert, aber gleichzeitig wird das Handwerk mit den zwei Plattenspielern immer unwichtiger, beschallen immer mehr DJs die Bewegungswilligen mit MP3s aus dem Laptop. Die eigene Produktion von Tracks gewinnt an Bedeutung. Die Erweiterung des Berufsbilds zum Musikproduzenten setzt sich nun dank des dramatischen Preisverfalls bei digitaler Aufnahmetechnik erstmals auf breiter Front durch. Elektronische Musik für den Tanzboden wird heute kaum mehr in professionellen, teuren Studios aufgenommen. Die innovativsten Clubhits entstehen in technisch hoch gerüsteten Kinderzimmern.

Die Academy: Seit ihrer ersten Auflage 1998 in Berlin hat sich die Red Bull Music Academy mit dem Anforderungsniveau an den DJ gewandelt. Anfangs standen noch das Handwerk im Vordergrund sowie Fortbildung in Sachen Recht. Längst gibt es in vielen Städten eigene DJ-Schulen, die zahlungswilligem Nachwuchs Fingerfertigkeit vermitteln. In Kapstadt dagegen wurden die technischen Kabinettstückchen der Mixologists, den britischen Großmeistern des Turntablism (DJing als Hochleistungssport), zwar ehrfurchtsvoll bestaunt, aber die Teilnehmer schienen interessierter am Wissen des südafrikanischen Mastering-Engineers Chris Palmer an „Emulationen“, „Resolutionen“ und „Kompressionen“. Der moderne DJ-Entwurf verabschiedet sich zusehends vom Klischee des Plattensammelspießers: Den ultrararen Remix, mit dem er nachts den Dancefloor zum Kochen bringt, kann sich der DJ dieser Tage nachmittags aus dem Internet downloaden.

Der Markt: In Südafrika beherrschen die fünf (nach der Fusion von Sony und BMG nur mehr vier) großen, international operierenden Major-Plattenfirmen die Radiosender und damit auch den Tonträgermarkt. Unabhängige, kleine Labels sind im Aufbau begriffen: Das größte ist noch Ghetto Ruff, auf dem der Kwaitostar Zola und Kapstadts wichtigste HipHop-Combo Prophets Of Da City erscheinen. Auf eine verkaufte CD kommen am Kap drei verkaufte Kassetten, und schon für fünfzigtausend verkaufte Einheiten gibt es Platin.

Die Musik: Die Verkäufe werden beherrscht vom religiösem Gospel, traditioneller afrikanischer Musik und Afrikaans, einer Art Country für die burische Minderheit. Kwaito und HipHop dagegen werden vor allem in den Townships gehört, wo Kaufkraft kaum vorhanden und stattdessen der Markt für Schwarzkopien groß ist. Kwaito gilt als Musik des neuen Südafrika, entstand während des Umbruchs in den Ghettos von Johannesburg, hat aber mittlerweile so viele Stile bereitwillig integriert, dass eine musikalische Definition längst unmöglich geworden ist.

Die Stars: heißen Mandoza und Zola. Beide stammen aus Soweto, beide kokettieren mit ähnlich kriminellen Lebensläufen wie US-amerikanische Rapper und gelten als große Rivalen um die Gunst der Kwaito-Fans. Zola ist auch als Schauspieler tätig, Mandoza chillt gern mit stadtbekannten Gangstergrößen. Ihre Platten sind hierzulande nicht lieferbar, aber verschiedene Label bringen demnächst Compilations heraus, auf denen auch Kwaito-Hits versammelt sind: So erscheinen im Januar „South African Urban Beats“ (Virgin) und im Februar „Mzansi Music – Young Urban South Africa“ (Trikont). TW