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Archiv-Artikel

„Originale unserer Zeit“

Philip Rosenthal im Bauhaus-Archiv: Der Erbe des Porzellanunternehmens förderte nicht nur moderne Gestaltungen, sondern auch die Vermögensbildung seiner Arbeitnehmer

Von MIKAS

Hinter den einschneidenden Veränderungen der deutschen Wirtschaft in der vergangenen Dekade verschwinden die Personen, denen die Unternehmen überhaupt ihre gesellschaftliche Stellung verdanken. Einerseits zu Recht: Es sind überwiegend Patriarchen gewesen, die obsolet geworden sind. Andererseits besaßen einige dieser „Kapitäne“ die Fähigkeit, ihre unterschiedlichen Begabungen und persönlichen Vorlieben sozial verantwortlich einzusetzen. Zu diesen Persönlichkeiten zählt Philip Rosenthal (1916–2001), der im Bauhaus-Archiv mit einer Ausstellung gewürdigt wird.

Der Titel „Mit Kunst leben“ umfasst den bekannten Teil seiner Person. Nach dem Erfolg des 1952 von Richard Letham und Raymond Loewy entworfenen Services „2000“ fühlte sich der Erbe des Porzellanunternehmens angespornt, weiterhin „Originale unserer Zeit“ zu produzieren. Hierzu gehört das Teeservice TAC von Walter Gropius ebenso wie die Serie „Suomi“ von Timo Serpaneva oder das Hotelgeschirr „TC 100“ von Hans „Nick“ Roericht, eine an der Hochschule für Gestaltung in Ulm abgelegte Diplomarbeit, die in der Rosenthal-Marke „Thomas“ in Produktion ging.

Die Förderung originärer Formgebung machte den Namen Rosenthal zu einem Maßstab für zeitgenössische Gestaltungen, im Übrigen auch für Bestecke und Gläser. In den eigenen „Rosenthal Studio-Häuser“ ließ Philip Rosenthal unter dem Stichwort „Tischkultur“ die Produkte adäquat in Szene setzen. In den 1970er-Jahren wagte er sich sogar bis in die Möbelwelt vor. Neben dem anfänglichen Vertrieb der Produkte von Artemide etablierte Rosenthal eine eigene Möbelproduktion, die leider kaum mehr wahrgenommen wird.

In Vergessenheit geraten ist auch der aktive Politiker Rosenthal, der bei der Eröffnung der Ausstellung vom Verteidigungsminister der Bundesrepublik, Peter Struck, geehrt wurde. Struck berichtete launig vom sozialdemokratischen Unternehmer, der 1969 in die Partei eingetreten war und bereits ein Jahr später zum Staatssekretär des Wirtschaftsministers Karl Schiller ernannt worden war. Seine Ideen zur Demokratisierung der Wirtschaft wünschte Rosenthal umzusetzen, nämlich Mitbestimmung und die Beteiligung der Arbeitnehmer an der Vermögensbildung. Diese hatte er bereits 1965 in der eigenen Firma verwirklicht und damit einen dritten Weg zwischen einem „ungerechten, anonymen Kapitalismus“ und einem „ineffizienten, anonymen Kommunismus“ aufgezeigt.

Gegenüber dem der Privatwirtschaft freundlich gesonnenen Schiller scheiterte Rosenthal zwar, aber immerhin gab er seinen Parteigefährten eine Mahnung auf den Weg: „Eine Sozialdemokratie, die aus guten Gründen die Vergesellschaftung aufgegeben hat und nichts dafür tut, dass auch der Einzelne am Vermögen unserer Wirtschaft beteiligt wird, ist in Gefahr, zu einer Sozial-Scheibletten-Abspeisungspartei zu werden.“

Das Bauhaus-Archiv unterstützt als Raumgeber der von der Rosenthal AG konzipierten Ausstellung keinen Personenkult, es handelt vielmehr in eigener Sache: Von 1968 bis 1984 war Philip Rosenthal Vorsitzender der Institution, und es ist wohl seiner engen Verbindung zu Walter Gropius geschuldet, dass sich diese für das Berliner Kulturleben notwendige Einrichtung heute nicht – wie ursprünglich einmal geplant – auf der Rosenhöhe in Darmstadt befindet, sondern am Ufer des Landwehrkanals in Berlin-Tiergarten.

Die Einrichtung des Museums war damals eine kleine, dennoch außerordentlich wichtige Geste für die Stadt, deren bürgerliches Kulturleben von der Moderne geprägt wurde. Man wünscht sich, dass ein Charisma wie das des Unternehmers Rosenthal und der Respekt vor seinem Wirken als sozial orientierter Politiker für eine würdige Gestaltung des anstehenden Erweiterungsbaus für das Bauhaus-Archiv sorgt, gerade weil dieser in Public-Private-Partnership errichtet werden soll. MIKAS

Die Ausstellung läuft bis 9. Feb. im Bauhaus-Archiv, Klingelhöferstr. 14, Berlin-Tiergarten, Mi.–Mo. 10 bis 17 Uhr, Katalog 12 €. Vorträge zur Ausstellung: Dietrich Müller, ehem. Vorstandssprecher der Rosenthal AG : „Walter Gropius – Ein Zeitzeugenbericht“, Do., 15. Jan., 19 Uhr sowie Prof. Eugen Gomringer: „Der Designer Walter Gropius – Bedeutung des Bauhauses für das Design“ Mi., 21. Jan., 19 Uhr