: Skifahren in Polen ist anders
Von Berlin aus in die Berge? Viele Möglichkeiten gibt es da nicht. Eine davon ist das Riesengebirge in Polen – auch zum Skifahren! 20 Kilometer Piste wirken bescheiden – was sie bieten, ist Eigenwilligkeit, Schneesicherheit und günstige Preise
von CORINNE ULLRICH
Wo sind wir hier? In einem Science-Fiction-Film? Auf dem Mond? Soeben hat der Sessellift uns auf den Reifträger gehoben, mit 1.362 Metern den zweihöchsten Berg des polnischen Riesengebirges, und eine geradezu apokalyptische Landschaft breitet sich vor uns aus: schroff und kantig verkrüppelte Äste ragen aus locker weichem Schnee, kurios und einsam stehen eigenwillige Felsformationen zwischen den sanften Hügeln steil in den Himmel. Dieser zeigt sich mal klar und blau, mal von grau-geballten Düsterwolken verhangen, wenn der scharfe Wind die Wolken düster zusammentürmt. Durchdringt die fahle Scheibe der Sonne blass diese geballte Masse, wirkt die Szenerie noch bedrohlicher und endzeitlicher; bestrahlt sie diese skurrilen Formen, so sorgt sie mit noch skurrileren Schatten für ein faszinierendes Naturschauspiel.
300 Kilometer lang zieht sich die Bergkette der Sudeten zwischen dem heute polnischen Schlesien und Tschechien und bildet die Grenze zwischen den beiden Ländern. Das Klima ist rau und ermöglicht es, dass in diesem Mittelgebirge das Skifahren überhaupt möglich ist. Das Klima ist mit dem der Alpen in einer Höhe von 2.000 Metern vergleichbar, schlesische Winter sind schneereich und schneesicher! Das Fremdenverkehrsamt wirbt mit dem „Mikroklima“ und verspricht: „Außergewöhnliche klimatische Verhältnisse bewirken eine gute Schneelage in den Wintermonaten.“
Und so fuhren wir durch konstantes Schneegestöber an einem Freitagabend von Berlin aus in knappen fünf Stunden über die Grenze in Görlitz, die Grafschaftshauptstadt Jelenia Góra (Hirschberg) nach Szklarska Poreba (Schreiberhau). In dicken Flocken tanzte der Schnee vom Himmel, als wir nachts durch die steilen Dorfstraßen kurvten, auf der Suche nach unserer Pension. Die liegt perfekt – zwischen den Skiliften Sudety Lift und dem beschaulich-malerischen Ort.
Das weit verzweigte Dorf Szklarska Poreba zieht sich entlang dem Flüsschen Kamienna durch das Tal. Fremdenverkehr hat in Schreiberhau, wie der Ort bis Ende des Zweiten Weltkrieges hieß, eine lange Tradition. Seit dem 17. Jahrhundert kamen die Touristen aus Berlin und Breslau hierher – zum Wandern, zum Skifahren und um in den unzähligen umliegenden Bädern ihr Heil zu suchen. Klassizistische Villen, Sanatorien in gepflegten Kurparks – wie im nahen Bad Warmbrunn (Cieplice Slaskie-Zdroj) zeugen davon.
Auch heute noch wirken die großzügigen mehrgeschossigen Häuser in Szklarska Poreba wie verzauberte kleine Märchenschlösschen mit verspielten Türmchen, schindelgedeckten Dächern, fein geschnitzten Holzverzierungen. Entlang der Hauptstraße reiht sich ein Fachwerkhaus an das nächste, mit verglasten Erkern und Veranden, vorgezogenen Dächern, Wandmalereien … Einiges ist renoviert worden, vieles lässt einstige und zukünftige Schönheit nur erahnen.
Am Lift herrscht bunter Trubel – ein Skiverleih neben dem anderen, Souvenir und Postkartenhäuschen, in einer Bude gibt es heiße Kartoffeln und natürlich die unvermeidlichen Hotdogs, Hamburger und Frytki. Die polnischen Spezialitäten heißen anders: Barszcz oder Borschtsch – die kräftige Rote-Beete-Suppe, Piroggen, mit Sauerkraut oder Pilzen gefüllte Teigtaschen, Bigos – ein Sauerkraut-Fleisch-Eintopf oder deftige Klöße, frische Pilze, viel Wild und anderes Fleisch. All das gibt es in feinster Form auf der Baude – so heißen die Bergherbergen im Riesengebirge des Reifträgers (Szrenica). Der Reifträger ist – nach der nahen Schneekoppe (Sniezka) – mit 1.362 Metern der höchste Berg hier. Weit kann der Blick schweifen. Und die Spuren verfolgen, die die unzähligen Langläufer und Tourenskifahrer durch den Schnee ziehen – über das ganze lang gestreckte Hochplateau auf der einen und bis hin zur Schneekoppe (1.603 m) auf der anderen Seite.
Skifahren in Polen ist so ganz anders, als in Österreich, Frankreich, der Schweiz oder Bayern. Ein bisschen unprofessioneller, ein bisschen unbedarfter. 20 Kilometer Piste lassen das Skigebiet im internationalen Vergleich blass aussehen – was sie aber zu bieten hat, ist die Skurrilität des Anderen, der Reiz des Fremden, Neuen.
Und – günstige Preise! Die Tageskarte kostet eben nur 58 Zloty, circa 13 bis 15 Euro, drei Tage – ein verlängertes Wochenende also 150 Zloty. Es gibt Schneekanonen, die Abfahrten sind von November bis Mai befahrbar, auf der FIS Abfahrt werden nationale und internationale Rennen ausgetragen – wie die Berliner Alpinen Skimeisterschaften 2000, die längste Abfahrt trägt den schönen Namen Lolobrygida – weil sie so kurvenreich ist – und ist 4,4 km lang und wer mag, kann abends auf der leichten fast durchgehend künstlich beschneiten Piste Puchatek im Flutlicht skifahren.
Der Skiverleiher, ein smarter Bursche, der begeistert seine Englischkenntnisse erprobt, verrät, wo er heute Abend – noch günstiger – auf die Piste geht: über die Grenze in den Diskos in Tschechien, da kostet der Whisky nur die Hälfte.
Anreise: Mit dem Auto über Görlitz und Jelenia Góra in circa viereinhalb bis fünf Stunden. Mit dem BerlinLinienBus (www.berlinlinienbus.de) zweimal die Woche in fünfeinhalb Stunden nach Jelenia Góra. Von dort gehen lokale Busse nach Szklarska Poreba oder Karpacz. Übernachtung: Es gibt mehrere tausend Übernachtungsmöglichkeiten in Pensionen, Hotels und sogar einen CampingplatzFremdenverkehrsamt ul. Jednosci Narodowej, 3 PL- 58 580, Szklarska Poreba, Fax: 00 48-75-7 17 24 94 und 49 www.szklarskaporeba.pl Polnisches Fremdenverkehrsamt, Marburger Str. 1, 10789 Berlin, Tel: 0 30/21 00 92-0 , Fax: -14 www.polen-info.de info@polen-info.de Wichtig! Für Fahrten nach Polen wird ein gültiger Reisepass benötigt!