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Archiv-Artikel

Südasien profitiert von Entspannungssignalen

Die indisch-pakistanische Annäherung könnte der regionalen wirtschaftlichen Kooperation zum Durchbruch verhelfen. Und umgekehrt tragen wachsende Wirtschaftsinteressen dazu bei, die politischen Fronten aufzuweichen

BOMBAY taz ■ Am Sonntag beginnt in Pakistans Hauptstadt der Südasiengipfel Saarc (South Asia Association for Regional Cooperation). Dabei geht es um einen Freihandelsvertrag zwischen den sieben Mitgliedern. Der bestehende Vertrag über Vorzugszölle für 5.000 Güter konnte aus politischen Gründen bisher nicht auf ein zollfreies Regime für alle Güter ausgeweitet werden. Diese Hürde ist nun gefallen. Es wird erwartet, dass die Regierungs- und Staatschefs am 6. Januar einen Rahmenvertrag abschließen. Er soll in zwei Jahren in Kraft treten und bis 2013 den Subkontinent zur Freihandelszone machen. Gestern versuchten die Außenminister, Bangladesch, Bhutan, Malediven und Nepal die Furcht zu nehmen, von Gütern aus Indien, Pakistan und Sri Lanka überschwemmt zu werden.

Die größte Hürde für eine engere Wirtschaftskooperation war bisher das zerrüttete Verhältnis zwischen Indien und Pakistan. So scheiterten Freihandelsbestrebungen an der Weigerung Pakistans, Indien die Meistbegünstigungsklausel einzuräumen. Vom jährlichen Handelsvolumen von 1,5 Milliarden Dollar zwischen beiden Staaten fließen nur 200 Millionen über bilaterale Kanäle, das Gros erfolgt über Drittländer oder Schmuggel. Auch die Zusammenarbeit bei Transport, Telekommunikation und Armutsbekämpfung ist bis heute Opfer des Konflikts zwischen den beiden größten Saarc-Mitgliedern. Nur bei der Bekämpfung des Drogenhandels und neuerdings des Terrorismus gibt es gemeinsame Ansätze.

Saarc soll nach dem Vorbild der südostasiatischen Gemeinschaft Asean über den Umweg der Wirtschaftskooperation die sieben Länder auch politisch näher bringen. Nach fast 20 Jahren der politischen Randexistenz könnte dieser Vorsatz nun eingelöst werden. Es war nicht zuletzt die Aussicht, dass der indische Premier Atal Behari Vajpayee zum Gipfel nach Islamabad reisen würde, die das eingefrorene Verhältnis zwischen den beiden Erzfeinden aufzutauen begann. Neben der Wiederherstellung und geplanten Ausweitung der Verkehrsverbindungen und einem Waffenstillstand sind es Wirtschaftsinteressen, die beide Seiten zur Abkehr von der Kriegsrhetorik bewegen. Beide Länder sind in einem Wirtschaftsaufschwung. Kürzlich erklärte Vajpayee, erst wenn jedes Land Interesse an der Prosperität des anderen habe, könne die politische Kluft überbrückt werden. Gastgeber Pakistan gibt sich alle Mühe, die bilaterale politische Agenda auszuklammern. Im Gegensatz zur bisherigen Praxis hat es versprochen, Kaschmir nicht zu erwähnen. Vor einigen Wochen hatte Militärmachthaber Pervez Musharraf zudem erklärt, Pakistan habe die alten UNO-Resolutionen über ein Kaschmir-Plebiszit hinter sich gelassen. Auch wenn seine Äußerungen später aus innenpolitischen Rücksichten relativiert wurden, bilden sie einen wichtigen Schritt für eine Lösung.

Auch das Eindringen von Untergrundkämpfern über die Waffenstillstandslinie in den indischen Teil Kaschmirs hat nachgelassen. Kein Zufall, dass dies im islamistischen Untergrund das Feindbild Musharraf noch verstärkt und ihn zum Ziel von zwei Attentaten in zwei Wochen machte. BERNARD IMHASLY