: Kölner machen Jagd auf Schnäppchen
Am Wochenende herrschte in den Geschäften Hochbetrieb. Viele Kunden tauschen Weihnachtsgeschenke um, die meisten jedoch suchen radikal herabgesetzte Sonderangebote. Die aber werden nicht von allen Geschäftsleuten gerne angeboten
von KIRSTEN PIEPER
Schon im Eingangsbereich kommt es zum Rückstau. Ein Angestellter der Saturn-Filiale im Untergeschoss des Einkaufszentrums in Hürth kontrolliert für den Umtausch die Quittungen der Kaffeemaschinen, DVD-Player oder Telefone. Es geht an diesem ersten verkaufsoffenen Tag im neuen Jahr zu wie in einem Taubenschlag. Einige haben sich in das Getümmel gestürzt, um Geschenke einzutauschen oder Gutscheine einzulösen. Die meisten Menschen jedoch sind auf Schnäppchenjagd. Denn der Einzelhandel lässt die Preise radikal purzeln.
Mustafa Ocak ist zusammen mit seinem Sohn da. Er stellt den Karton mit Staubsauger vor dem Mitarbeiter ab. „Der Staubsauger ist noch original verpackt.“ Mit einem so genannten Warenschein darf der Kunde mit dem Gerät passieren. „Nächstes Mal lasse ich mir schriftlich geben, dass ich den Staubsauger ohne Probleme umtauschen kann“, sagt der Familienvater. Er dreht sich zu einem Mann um, der hinter ihm in der Schlange steht: „Ich will den Sauger umtauschen, weil der seit heute im Angebot ist. Dadurch spare ich etliche Euro“, flüstert er seinem Hintermann zu, so leise, dass der Mitarbeiter des Medienmarkts es nicht hören kann.
„Wir nehmen so gut wie alles zurück“, sagt Michael Witaski, Abteilungsleiter bei Saturn. Nach Einschätzung von Witaski haben die Umtausche in den letzten Jahren enorm zugenommen. Das liege an der finanziellen Situation der Leute: „Wenn weniger im Geldbeutel ist, wird man eben kritischer“, erklärt er sich das Phänomen. Er selber freut sich auf mehr Freizeit in den nächsten Wochen. „Dann wird es ruhiger und ich kann meine Überstunden abbauen.“
Die Familie Schulz ist aus der Nachbarstadt Brühl ins Einkaufszentrum nach Hürth gepilgert – wegen der großen Auswahl. „Die Angebote darf man sich nicht entgehen lassen“, sagt Albert Schulz. Das hätten zumindest seine Frau und seine Tochter gesagt, nachdem sie am Morgen statt der Zeitung die zahllosen Werbeprospekte der Kaufhäuser gewälzt hätten. Mit einigen Pullovern auf dem Arm geht Frau Schulz bei Wehmeyer in Richtung Umkleidekabine: „Bei drei Oberteilen gibt‘s hier das dritte umsonst, freut sie sich. „Da muss ich einfach zuschlagen.“
Mit Sonderaktionen buhlen zur Zeit die Geschäfte in Köln um Kundschaft. Die meisten Läden haben drastisch reduziert. Das Angebot reicht dabei von Schmuck über Geschirr bis hin zu Kleidung. „Seit es den Winterschlussverkauf nicht mehr gibt, ist ständig etwas reduziert“, freut sich Schnäppchenjäger Schulz. Auch wenn er nur als Stimmvieh für seine Frau und seine Tochter mitgekommen sei, müsse schon einmal gesagt werden, dass der Verbraucher davon profitiere.
Der deutsche Einzelhandel sieht das mit gemischten Gefühlen. Er kämpft wegen der schwächelnden Wirtschaftslage seit Jahren mit Umsatzrückgängen. Auch die Hoffnungen in das traditionell starke Weihnachtsgeschäft wurden enttäuscht. Der Umsatz sank und die vielen Schnäppchenpreise seien nach Angaben des Hauptverbands des deutschen Einzelhandels (HDE) Anlass zur Sorge für die Branche. Dessen Sprecher, Hubertus Pellengahr, setzt indes auf das Jahr 2004. Er äußerte sich nach dem ersten Einkaufstag im neuen Jahr verhalten optimistisch. Mit In-Kraft-Treten der Steuerreform, die „immerhin eine spürbare Entlastung“ biete, sei die Voraussetzung für eine „gute Konsumstimmung“ gegeben.
Ursula Sicken ist Verkäuferin in dem Bekleidungsladen Street One. Sie ist von dem Trubel genervt: „Heute sind nur Wühler und Chaoten unterwegs.“ Kein einziger Stammkunde habe ihren Laden in Hürth bis jetzt betreten. Die seien von dem Schnäppchenwahn abgeschreckt. Sonderaktionen wie die des Konkurrenten Wehmeyer gegenüber lockten zwar viele Leute in ihren Laden, aber umsatzmäßig merke sie das nicht. „Das ist frustrierend.“ Spätestens im Februar werde es wieder entspannter: „Dann ist Karneval, da sind die Leute mit Feiern beschäftigt.“
Bei der Konkurrenz schallt dem Besucher die übersteuerte Mikrofonstimme eines Animateurs entgegen. „Sichern Sie sich ihr Schnäppchen hier.“ Thomas Kanwald verdient mit diesen Aktionen sein Geld. Er habe das Prinzip aber durchschaut. „Das ist doch reine Psychologie: Erst bezahlen die Leute irrsinnige Preise für die Geschenke vor Weihnachten – um dann nach Weihnachten auf den Euro zu achten.“ Seiner Meinung nach sei das ein reines Nullsummenspiel und nutze nur dem Handel.