piwik no script img

Archiv-Artikel

Der dröge Bundesliga-Alltag

In der Fußballbundesliga quält Hertha BSC Berlin die Zuschauer mit einem trostlosen 0:0 gegen Arminia Bielefeld. Die Fans pfeifen, die Spieler kicken unter Niveau, und das Team klettert in der Tabelle um einen Rang nach oben

Die Hitzewallungen und Attacken von Schüttelfrost, die Huub Stevens auf der Bank überfielen, rührten nicht nur von seiner fiebrigen Erkältung her. Seine Mannschaft multiplizierte mit dem dürftigen Spiel gegen Arminia Bielefeld am Sonntagabend sein Leiden. Keine Fortsetzung der Alex-Alves-Show, keine Galavorstellung des brasilianischen Duos Alves-Marcelinho vor 28.000 Zuschauern im Olympiastadion. Stattdessen konnte Hertha nach Spielende von Glück reden, dass es beim 0:0 blieb.

Beispiel eins: Der Bielefelder Stürmer Mamadou Diabang (43.) lief nach einem hanebüchenen Fehler von Pal Dardai auf das Tor von Gabor Kiraly zu. Kein Herthaner weit und breit. Diabang hätte zum Sturmkollegen passen und auf Nummer Sicher gehen können. Doch er entschied sich, selbst zu schießen. Kiraly konnte seinen Schuss glücklich an den Pfosten lenken.

Beispiel zwei: Der Bielefelder Bernd Rauw bekam in der 50. Minute eine Riesenchance. Sein 20-Meter-Schuss blieb wieder an Kiraly kleben.

In den ersten 40 Minuten bestimmte freilich Hertha die Partie. Kam durch Kopfbälle von Michael Preetz, Josip Simunic und einen Flachschuss von Stefan Beinlich zu Chanchen, verfiel jedoch in den alten Fehler, die Angriffe fast nur über den linken Flügel vorzutragen. Marcelinho war auf die linke Außenposition ausgewichen, die sonst Goor besetzt. Zusammen mit Michael Hartmann entwickelten sie Druck. Doch Alves und Thorben Marx konnten die eklatante Linkslastigkeit auf rechts zu keinem Zeitpunkt ausgleichen.

Als Marcelinho die Goor-Position zugunsten seines berüchtigten „Ich mache jetzt wieder alles“ aufgab und sich überall auf dem Platz in der Pose des Spiritus Rector zeigte, zerfiel das recht kompakte Hertha-Spiel zusehends. Statik und Berechenbarkeit prägten nun die Bemühungen der Uefa-Cup-Aspiranten und machten es den Bielefeldern, mit fünf sieglosen Spielen nach Berlin gereist, leichter als erwartet.

So verlief die Partie, wie es Manager Dieter Hoeneß zuvor in dunklen Ahnungen vermutet hatte: „Das Spiel wird nicht leichter als das gegen Boavista Porto, da haben wir gesehen, was passiert, wenn wir nicht die nötige Aggressivität auf dem Platz zeigen.“ Nur mit 100-prozentigem Einsatz könne die Arminia bezwungen werden. Auch bei wohlwollenden Schätzungen brachte es die Hertha nicht auf mehr als 70 Prozent und die Erkenntnis, dass das Umschalten von Uefa-Cup auf den drögen Bundesliga-Alltag nicht ihre Sache ist. Es ging so weit, dass die Fans in Schlachtgesängen zum Kämpfen aufriefen – von Pfiffen unterbrochen. Viel brachte es nicht. Abspielfehler häuften sich; die Ordnung ging verloren; die Sicherheit, die Hertha in den Begegnungen mit Schalke und Mönchengladbach getankt hatte, war wie ausgelöscht. Alves ging in der 73. Minute frustriert vom Platz. Beinlichs Bewerbung um eine Vertragsverlägerung darf, was diese 90 Minuten betrifft, als gescheitert angesehen werden. Herthas Bewerbung um Platz 5 (Uefa-Cup) läuft weiter. Das Unentschieden brachte sie gar einen Platz nach vorn – auf Rang 6. MARKUS VÖLKER