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Archiv-Artikel

Der Charme der Authentizität

Erneut beziehen Journalisten aus aller Herren Länder auf Bagdads Hoteldächern Stellung – das hochkarätig besetzte Fernsehdrama „Live from Bagdad“ schildert die Schwierigkeiten der Berichterstattung im Golfkrieg (22.15 Uhr, ZDF)

von RAINER BRAUN

„Wieder einmal befindet sich der Irak am Abgrund eines Krieges. Wieder einmal hat sich die irakische Führung verschätzt. Wieder einmal geht das irakische Volk einer Tragödie entgegen.“ Nein, das Zitat stammt nicht aus einer von George W. Bushs düster drohenden Reden in diesen Tagen – authentisch ist es trotzdem, verweist es doch auf eine Ansprache, mit der sich der Vater des jetzigen Präsidenten einst an das Regime in Bagdad wandte. Am 2. August 1990 hatte Saddam Hussein den Kuwait überfallen, worauf er ultimativ von den USA und der UN aufgefordert wurde, seine Truppen bis zum 15. Januar 1991 wieder zurückzubeordern. Der Diktator ließ die Frist verstreichen – am 16. Januar begann daraufhin die Operation „Desert Storm“.

Was in den sechs Monaten bis zum Kriegsbeginn in Bagdad geschah, beschrieb aus der Perspektive eines US-Journalisten der CNN-Producer Robert Wiener in „Live from Bagdad“. Mit einem kleinen Team hatte er kurz nach der irakischen Intervention im Nachbarland Kuwait eine Akkreditierung vom Regime in Bagdad erhalten, während die Kollegen der Konkurrenz von CBS und ABC ausgewiesen wurden. Mit der einzigen Standleitung (nach Atlanta) avancierte CNN insbesondere nach dem Beginn des Golfkriegs vom verspotteten „Chickenwire News-Network“ zum respektablen Nachrichtenkanal, der exklusiv mit seinen Starreportern Peter Arnett und Bernhard Shaw aus Bagdad berichtete. Der Sender verzeichnete seinerzeit nie gekannte Einschaltquoten und ist seit 1991 im News-Geschäft eine feste Grüße, auch wenn „Fox“ ihm inzwischen den Rang abgelaufen hat.

Überraschenderweise ist diese klassische Erfolgsstory jedoch nicht für die große Leinwand, sondern von HBO als Dokudrama für das Fernsehen adaptiert worden. Denn nicht nur bei der Besetzung – die Hauptrollen sind mit Michael Keaton und Helena Bonham Carter besetzt – weist diese aufwändige TV-Produktion Kinoqualitäten auf.

Regisseur Mick Jackson hat in „Live aus Bagdad“ weder Kosten noch Mühen gescheut, um die Kulissen Bagdads möglichst realistisch in Casablanca nachzubauen. Und auch mit seiner Erzählweise respektiert er durchaus die Hollywood-Standarts, auch wenn seine zeitgemäßen Helden längst nicht mehr ungebrochen und ihr Gegenspieler allenfalls ein intelligenter wie kultivierter Diener seines Herren ist. Im Mittelpunkt der Story bleiben konsequent die hemdsärmligen, toughen und unerschrockenen US-Journalisten, die Leiden der Zivilbevölkerung nach den ersten Bombenangriffen auf Bagdad rücken hingegen kaum ins Bild.

Wer sich an diesen Konventionen populärer Erzählweisen –„human touch“ und sakastischen Humor inklusive – nicht stört, darf rundum gediegene, spannende TV-Unterhaltung erwarten. Atmosphärisch dicht und temporeich inszeniert, verzichtet Regisseur Jackson erfreulicherweise auf jeglichen Patriotismus und rückt den Blick stattdessen nüchtern auf den journalistischen Alltag im Krisengebiet und dessen Arbeitsbedingungen in Hotelbars und Warteräumen von Ministerien.

Keinen Zweifel lässt „Live aus Bagdad“ auch daran, bis zu welchem Grad sich Medien und Politik aufeinander einlassen, um voneinander zu profitieren und das jeweilige Gegenüber für ihre Interessen instrumentalisieren wollen. Das zählt – neben der sehr passablen schauspielerischen Leistung – zu den Qualitäten dieser Buchverfilmung.

Denn gerade was diese Fragen von Ethik und Moral angeht, ist „Live from Bagdad“ fast ein Lehrstück auf die kriegerischen Auseinandersetzungen, die uns gegenwärtig drohen.

Hinzu kommt der Charme der Authentizität des handelnden Personals: Wieners ehemaliger Gegenspieler im Informationsministerium, Naji al-Hadithi, stieg zum Außenministers des Iraks auf, sein Amtsvorgänger Tarek Asis rückte zum Stellvertreter Saddam Husseins auf – und Peter Arnett zählt immer noch zu den Starreportern. Nicht nur in dieser Hinsicht darf der ZDF-Spielfilm-Redaktion ein um Georg Alexander ein gutes Händchen beim Einkauf und der Terminierung von „Live aus Bagdad“ bescheinigt werden. Mit immerhin drei „Golden Globe“-Nominierungen im Gepäck ist der TV-Film heute als deutsche Premiere im Zweiten zu sehen.