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Archiv-Artikel

„Werbung braucht Grenzen“

In den Städten wird zu wenig über Inhalt und Art von Werbung diskutiert, findet die Bremer Stadtplanerin Franziska Lehmann. Immerhin verändere die die Identität von Orten und die Stadt als öffentlichen Raum

Von eib

taz: Frau Lehmann, aus Sicht der Werbetreibenden ist in der Stadt noch viel ungenutztes Potenzial für ihre Produkte. Ist denn noch Platz?

Franziska Lehmann, Raumplanerin: Das kommt darauf an, wie viel Raum man der konsumorientierten Kommunikation geben will. Platz ist ohne Ende, man kann überall noch Säulen hinstellen, Bänke bedrucken und Plakate aufhängen. Das ist eine Frage, die die Gesellschaft beantworten muss.

Aber diskutiert sie denn überhaupt darüber?

Sehr wenig und oft nur dann, wenn ein gewisser Leidensdruck besteht, wie jetzt in Berlin, wo es viele für Werbung interessante Orte gibt, was zu einem Wildwuchs geführt hat. 2005 wurde das Baurecht geändert, seitdem ist Werbung an Baugerüsten grundsätzlich zulässig und genehmigungsfrei. Das führte beispielsweise dazu, dass ein Gebäude der Charité anderthalb Jahre flächendeckend mit einem Baugerüst verhüllt war. Für die Patienten war es dadurch tagsüber dunkler und nachts heller, weil die Werbefläche angestrahlt wurde. Jetzt musste es abgehängt werden, weil die Charité gar nicht nachweisen konnte, dass tatsächlich gebaut wurde. Der Hintergrund ist, dass über solche Modelle oft die Sanierung gerade von denkmalgeschützten Gebäuden finanziert wird.

Ein guter Deal…

Für die öffentliche Hand mag das als viel Geld erscheinen, aber die Privatwirtschaft kommt billig davon. Als die Bremer Rathausfassade 2001 mit einer Milka-Werbung verhüllt war, bekam die Stadt gerade mal 100.000 Mark dafür. Oder die 240 Quadratmeter-Fläche am Parkhaus in der Balgebrückstraße: Als ich vor fünf Jahren dazu Daten erhoben habe, kostete der Platz für vier Wochen 20.000 Euro. Das ist im Vergleich mit einer einmal erscheinenden ganzseitigen Anzeige in einer Tageszeitung nichts.

Also müssen die Städte die Preise raufsetzen und alle sind zufrieden.

So kann man es sehen. Man kann sich aber auch grundsätzlicher damit beschäftigen und – wie die Berliner es gerade machen – unter Beteiligung aller Akteure ein Konzept zu stadtbildprägender Werbung erstellen. Darin können Kriterien festgelegt werden, welche Art von Werbung an welchen Orten akzeptiert wird, wie groß sie sein darf und welche Qualität gewünscht wird. Ein wichtiges Thema ist auch die Frage, wie mit bewegten Bildern umgegangen wird, da gibt es Bedenken, dass sich Verkehrsteilnehmer ablenken lassen. Im Kommen ist interaktive Werbung im öffentlichen Raum. Da gibt es noch keine Ideen, wie man damit umgehen soll, weil die zum Teil auf das Stadtbild gar keinen Einfluss haben, aber die Grenze zwischen privatem und öffentlichem Raum zerfließen lassen und damit eins der Hauptmerkmale von „Stadt“ beeinträchtigen.

Was meinen Sie?

Es gibt Werbung, an der gehen Sie vorbei und bekommen dann über Bluetooth eine SMS zugeschickt. Oder Sie werden aufgefordert eine Nummer anzurufen: Dann spritzt aus der Mineralwasserflasche Wasser, das Dampfbügeleisen dampft. Die Werbewirtschaft rechnet damit, dass Sie das fotografieren und weiter verschicken.

Wen’s stört, kann ja weggucken.

Wie Werbung auf Konsumenten wirkt, dazu kann ich als Stadtplanerin nichts sagen, aber zum einen geht Aufmerksamkeit, die Sie der Werbung widmen, für anderes, etwa das Gebäude dahinter oder die anderen Menschen auf der Straße, verloren. Und ich finde schon, dass man privatwirtschaftliche Interessen im öffentlichen Raum begrenzen muss – schließlich ist der eine der wenigen gesellschaftlichen Klammern, die wir haben.

Sie sind für mehr Beschränkungen?

Schon, aber in erster Linie finde ich es sinnvoll, sich auf Regeln zu einigen, die eine Gleichbehandlung ermöglichen und nicht eine Genehmigungspraxis fördern nach dem Motto „Irgendwen findet man immer, der das erlaubt“. Übrigens wäre es auch nicht verkehrt, wenn in Bremen anlässlich der Neuvergabe der Konzession eine breitere Debatte über die Art der Außenwerbung stattfinden würde. Für die Werbebranche sind Restriktionen übrigens förderlich: Die spornen zur Kreativität an und verhindern, dass alle die Plakate nehmen, die überall auf der Welt gleich aussehen und dem Ort seine Identität nehmen. Interview: eib

Fotohinweis:FRANZISKA LEHMANN, 47, promovierte über großformatige Werbung im öffentlichen Raum und erstellt derzeit für die Berliner Senatsverwaltung ein Konzept zum Thema. Seit 20 Jahren hat sie in Bremen ein Büro für Stadtplanung.