: Hoher syrischer Antrittsbesuch in Ankara
Baschar al-Assad als erster syrischer Präsident in der Türkei. Besuch soll vor allem den Wirtschaftsaustausch ankurbeln
ISTANBUL taz ■ Erstmals seit der Gründung der Republik 1946 reiste gestern ein syrischer Präsident in die Türkei. Nach jahrzehntelanger Eiszeit gibt sich Präsident Baschar al-Assad entschlossen, einen Neuanfang in den bilateralen Beziehungen zu starten. Assad, der zu einem dreitägigen Besuch gestern morgen in Ankara von Außenminister Abdullah Gül empfangen wurde, traf am Nachmittag Präsident Ahmet Necdet Sezer und Regierungschef Tayyip Erdogan. Mit seinem Besuch in Ankara will Assad vor allem die außenpolitische Quarantäne durchbrechen, die die US-Regierung gegen Syrien verhängt hat. Washington wirft Assad die Unterstützung terroristischer Organisationen und den Besitz von Massenvernichtungswaffen vor. Syrien, so US-Präsident Bush, solle dem libyschen Beispiel folgen und alle Massenvernichtungswaffen zerstören. Gegenüber dem britischen Telegraf hatte Assad dazu vor seinem Abflug nach Ankara erklärt, Abrüstung könne keine einseitige Angelegenheit sein und käme nicht in Frage, solange Israel seine Atomwaffen nicht zur Disposition stelle.
Trotzdem gibt Assad sich konzessionsbereit. Gegenüber dem türkischen Nachrichtensender CNN sagte er, sein Besuch in der Türkei könne auch über die Grenzen der Türkei und Syrien hinaus eine Wirkung haben. Die türkische Regierung hatte sich im Vorfeld des Besuchs als Vermittlerin zwischen Damaskus und Jerusalem angeboten, was Assad offenbar begrüßt.
Auf bilateraler Ebene will Assad mit seinem Besuch vor allem den wirtschaftlichen Austausch ankurbeln. Ein Doppelbesteuerungsabkommen und Investitionsabkommen sollen den Handel von rund 1 Milliarde Dollar jährlich weiter beflügeln. In der Türkei sind daran vor allem große Konzerne und die Geschäftsleute im Südosten interessiert. Für die armen Regionen entlang der türkisch-syrischen Grenze birgt der grenzüberschreitende Handel viel Potenzial.
Nachdem Syrien im Anschluss an die Bombenanschläge in Istanbul im November 22 Verdächtige an die Türkei ausgeliefert hatte, gilt auch die Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen als erfolgreich. Hierzu sollen weitere Abkommen unterschrieben werden. Der alte Streit um das Wasser des Euphrat spielt dagegen kaum eine Rolle. 2003 waren die Verhandlungen über das Wasser wieder aufgenommen worden. JÜRGEN GOTTSCHLICH