: Kurdistan bleibt zunächst autonom
In der vorläufigen Verfassung des Irak wird das Prinzip eines föderativen Staates festgeschrieben. Doch der Teufel steckt im Detail. Die Kurden bevorzugen einen losen Staatenbund, andere wollen einen stärkeren Einfluss Bagdads auf die Provinzen
VON INGA ROGG
Der Irak wird künftig ein föderales System erhalten. Darauf verständigte sich der irakische Regierungsrat bei seinen Beratungen in den vergangenen Tagen in Bagdad. Demnach wird das Prinzip des Föderalismus im vorläufigen Grundgesetz festgehalten, das der Rat bis zum 28. Februar verabschieden soll. Der Status der seit 1991 faktisch autonomen kurdischen Provinzen bleibe dabei vorläufig bestehen, sagte das Ratsmitglied Dara Nur ed-Din.
Kurdistan wird also weiter über eine eigene Legislative und Exekutive verfügen. Gescheitert sind die fünf kurdischen Vertreter im Regierungsrat aber damit, das von ihnen favorisierte Föderalismuskonzept bereits in der Übergangsverfassung festzuschreiben. Das Konzept sieht einen losen Staatenbund aus einem kurdischen und einem arabischen Bundesstaat vor.
Dazu wäre eine Neustrukturierung der nördlichen Provinzen vonnöten, die sich an den bis zur Machtübernahme der Baath-Partei im Jahr 1968 bestehenden Verwaltungsgrenzen orientiert. Die Teile der heutigen Provinzen Salahaddin, Tamim und Nive mit überwiegend kurdischem Bevölkerungsanteil sollen demnach dem Bundesstaat Kurdistan zugeschlagen werden. Umstritten ist vor allem der Status der Provinz Tamim mit Kirkuk, die erst 1974 geschaffen wurde. Um die kurdischen Ansprüche auf die Ölstadt zu unterlaufen, betrieb das Regime eine Vertreibungspolitik gegenüber den Kurden in der Region.
Heute drängen die Kurden auf Rücksiedlung der Vertriebenen. Dabei ist es verschiedentlich zu Zusammenstößen mit arabischen Siedlern, aber auch Anhängern der extremistischen „Front irakischer Turkmenen“ gekommen. Wie das Nachbarland Türkei, das in Autonomiebestrebungen der Kurden die Vorboten staatlicher Unabhängigkeit wittert, lehnt auch die Front die kurdischen Föderalismusforderungen rundherum ab. Sollte es dazu kommen, müsse auch der turkmenischen Minderheit ein eigenes Bundesland zugestanden werden.
Aus Rücksicht auf seinen Verbündeten in Ankara will aber auch die angloamerikanische Besatzungsbehörde die kurdischen Forderungen nicht offen unterstützen. Sehr zum Missfallen der beiden kurdischen Parteien KDP und PUK, die sich bislang als zuverlässige Verbündete der Koalition gezeigt haben. Besonders die Vertreter Washingtons drängen auf einen Föderalismus, der sich nicht an ethnischen Grenzen, sondern eher am deutschen Modell der Verwaltungseinheiten orientiert. In London, wo man über die Erfahrungen aus dem Nordirland-Konflikt verfügt, habe man für die Forderungen der Kurden eher Verständnis, sagten kurdische Gesprächsteilnehmer an den Verhandlungen. Sturm gegen den kurdischen Vorschlag laufen aber auch etliche irakische Parteien. Zwar stimmen die meisten einer Dezentralisierung zu, doch verlangen sie auch künftig einen stärkeren Einfluss Bagdads auf die Geschicke in den bislang 18 Provinzen.