: Der Streit um den Strom
Versorger begründen jüngste Preiserhöhungen mit Kosten beim Ökostrom. Der Bundesverband Erneuerbare Energie hält das für einen „grotesken Schwindel“
BERLIN taz ■ Die zum 1. Januar wirksamen Preiserhöhungen der meisten Versorger für Privathaushalte sind nach Einschätzung des Bundes der Energieverbraucher und des Umweltbundesamtes nicht gerechtfertigt. Besonders verärgert sind die Erzeuger von erneuerbarer Energie. Denn viele Stromkonzerne begründen ihre Zuschläge mit gestiegenen Kosten für alternative Energien.
Gestern teilte der zweitgrößte deutsche Stromlieferant RWE mit, die Preise um durchschnittlich 2,7 Prozent zu erhöhen. Auch E.ON gab an, dass seine regionalen Tochtergesellschaften die Preise ähnlich stark erhöht haben.
Dies seien „politisch verursachte Kosten“, so ein Sprecher des Energiekonzerns RWE, die Preiserhöhungen dagegen moderat und berechtigt. Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) hält das für einen „grotesken Schwindel“. Die Erzeuger von Alternativenergie sehen sich zu Unrecht als Preistreiber hingestellt. Die Kosten für Strom aus erneuerbaren Energien, so BEE-Sprecher Milan Nitzschke, seien 2003 nämlich sogar zurückgegangen: Die Stromversorger hätten rund 35 Prozent zu viel für Ökostrom abgerechnet. Der Bundesverband Windenergie erwägt nun sogar den Gang zum Bundeskartellamt.
Nach dem Gesetz für erneuerbare Energien (EEG) erhalten die Erzeuger von Alternativstrom von den Stromversorgern einen Festpreis. Die anfallenden Mehrkosten können die Versorger an den Verbraucher weitergeben. Diese so genannte EEG-Umlage richtet sich nach der eingespeisten Menge an Ökostrom. Sie wird aufgrund einer Prognose für das jeweils kommende Jahr festgelegt – und hier beginnt das Problem.
Windarmes Jahr
Beispiel Windenergie: Zwar wurden im vorigen Jahr neue Anlagen in einer Größenordnung von 2.200 bis 2.500 Megawatt installiert. Das entspricht einem Zuwachs von rund 16 Prozent. Tatsächlich aber wurde nicht mehr Windstrom produziert als im Jahr zuvor, weil 2003 wider Erwarten ein außergewöhnlich windarmes Jahr war. Peter Ahmels, Chef des Bundesverbandes Windenergie, will in Kürze entsprechende Zahlen dafür vorlegen. Danach wäre die Erhöhung der EEG-Umlage von rund 0,4 Cent pro Kilowattstunde im Jahr 2003 auf jetzt rund 0,5 Cent nicht korrekt. Die Preise, argumentiert Ahmels, müssten stattdessen gesenkt werden, da die prognostizierte Strommenge schon im vorigen Jahr gar nicht erzielt wurde.
Zugleich fordert Ahmels, dass die Daten für eingespeisten Ökostrom künftig nicht mehr bloß jährlich, sondern zumindest vierteljährlich aufbereitet werden, um Fehlprognosen vorzubeugen. Sein Verband erwägt außerdem, sich ans Kartellamt zu wenden.Verbraucherverbände bemängeln seit langem, dass die deutschen Strompreise überhöht seien. Im europäischen Vergleich liegen sie im oberen Drittel. Dafür sind laut Jürgen Landgrebe vom Fachgebiet Umwelt und Energie aber nicht die Politik, sondern „unzulässig hohe“ Netzbenutzungsgebühren und „überhöhte Vorstellungen“ der Netzbetreiber verantwortlich.
Nach Berechnungen des Bundes der Energieverbraucher sind die Preise für Privathaushalte um 3 bis 4 Cent pro Kilowattstunde zu teuer. Der Verband fordert hierzu bis Ende dieser Woche eine Stellungnahme des Dachverbands der deutschen Stromwirtschaft und der neuen Strompreisaufsichtsbehörde.
VERENA KERN
Der Bund der Energieverbraucher hat im Internet eine Beschwerdestelle eingerichtet: www.energieverbraucher.de