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Archiv-Artikel

EU-Kommission inspiziert Kölner Müllskandal

Brüssel fordert von Deutschland Aufklärung zu möglicherweise unzulässigen Ausschreibungen. Die Antwort steht aus

KÖLN taz ■ Der Kölner Müllskandal ist jetzt auch zu einem Fall für die Europäische Kommission in Brüssel geworden. Sie geht dem Verdacht nach, dass beim Bau der Kölner Müllverbrennungsanlage (MVA) und bei der Privatisierung der städtischen Müllabfuhr gegen EU-Vergaberecht verstoßen wurde.

Das Kollegium der Kommissare hat deshalb ein offizielles „Mahnschreiben“ an die Bundesrepublik geschickt. In dem Brief, der der taz vorliegt, werden die deutschen Behörden zu einer Erklärung aufgefordert und gleichzeitig bereits angewiesen, „EG-vertragskonformes Verhalten herzustellen“. Laut Robert Wein von der zuständigen EU-Generaldirektion Binnenmarkt in Brüssel steht eine Antwort der Bundesregierung bislang noch aus.

„Mit einer Stellungnahme ist aus unserer Sicht noch in diesem Monat zu rechnen“, erklärte Wein der taz. Fällt sie nicht befriedigend aus, so drohen der Bundesrepublik eine Klage der Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) und Zwangsgelder.

In ihrem Mahnschreiben gelangen die EU-Kommissare zu der Auffassung, dass zwischen 1992 und 2000 gleich in vier Punkten im Zusammenhang mit der Kölner Müllentsorgung gegen europäisches Recht verstoßen worden sein könnte. So vermuten sie, dass bei der Vergabe des Entsorgungsvertrags wegen fehlender europaweiter Ausschreibung „gegen die Prinzipien der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit und insbesondere gegen das von ihnen umfasste Diskriminierungsverbot und Gleichbehandlungsgebot“ verstoßen worden sein könnte. Im Einzelnen geht es um Aufträge an die teilprivatisierte Müllofenbetreiberfirma AVG, um die anschließende Vergabe von Entsorgungsleistungen an AVG-Untergesellschaften, die Vergabe des MVA-Bauauftrages an den Gummersbacher Anlagebauer Steinmüller sowie die Vergabe des Entsorgungsvertrags der Stadt an die Kölner Abfallwirtschaftsbetriebe (AWB).

Auslöser der EU-Intervention war eine Beschwerde vom Februar 2002 der Bürgerinitiative „Wohnen und Umwelt Kölner Norden e. V.“, die bereits seit über einem Jahrzehnt auch juristisch gegen die überdimensionierte Müllverbrennungsanlage in Köln-Niehl und die damit verbundenen hohen Kölner Müllgebühren kämpft. „Wir haben gewusst, dass es diese EU-Richtlinien gibt, und wir hatten festgestellt, dass bei der Vergabe der Entsorgungsaufträge hier in Köln keine europaweiten Ausschreibungen erfolgt sind“, so Initiativensprecher Rainer Zinkel. „Das war der Anlass, weswegen wir die Beschwerde bei der EU-Kommission erhoben haben.“

Im Kölner Müllskandal sollen elf Millionen Euro Schmiergelder bei der Auftragsvergabe für den Bau des Müllofens geflossen sein. Das Landgericht Köln verhandelt zur Zeit gegen zwei ehemalige Manager und den früheren Chef der SPD-Stadtratsfraktion. Gegen mehrere Dutzend weiterer Verdächtiger wird noch ermittelt. PASCAL BEUCKER,FRANK ÜBERALL