: Kulisse fürs Happy End
Lower Manhattan wird bald banaler und wesentlich kommerzieller aussehen als zu Zeiten der Twin Towers
Was als „architektonischer Nuklearkrieg“ zwischen den beiden Architekten Daniel Libeskind und David Childs in ihrem Gezänk um die städtebauliche Figur von Ground Zero begann, hat nun mit einem „Hornberger Schießen“ einen Schlusspunkt gefunden.
By the way, die Architekten leben noch. Libeskind darf sich schmollend das Copyright des Masterplans für seinen städtebaulichen Entwurf für das Areal samt dem 1.776 Fuß (540 Meter) hohen Freedom-Tower ans Revers heften. Hochhausspezialist David Childs, der ausführende Architekt des Investors Silverstein, wird als Chefplaner die Leitung des Gesamtensembles beaufsichtigen dürfen. Der Hauptstreitpunkt zwischen beiden Kontrahenten, die Form und Höhe des Freedom-Towers, ist zugunsten Childs’ Entwurfs für eine stählern-gläserne, leicht verdrehte Bürohaussäule samt asymmetrischer Libeskindspitze entschieden worden. Und zu ihren Füßen werden sich die Reflecting-Absence-Wasserbecken Michael Arads weiten: ein Memorial, das fein säuberlich gestaltet in jeder anderen Ecke New Yorks hätte errichtet werden können, so wenig erinnert es an das grausige Loch, das die zerstörten Türme des World Trade Centers (WTC) hinterließen.
Die Eitelkeiten der Stararchitekten werden bleiben, die offenen Fragen an die beiden Bauherren Silverstein und die Lower Manhattan Development Corporation (LMDC) nach der Finanzierung des geschätzten 12 Milliarden Dollar teuren Gesamtprojekts ebenfalls. Beantwortet jedoch ist die Debatte um das städtebauliche Gesicht für das neue Lower Manhattan – das gleichwohl banaler und noch kommerzieller aussehen wird als zu Zeiten der Twin Towers.
War Libeskinds neue Skyline noch ein überhöhtes Wunschbild des American Way of Life und der teilweise Erhalt des Trümmerfeldes dazwischen eine symbolische Chiffre für die Trauer zum 11. September 2001, so spiegelt der Childs-Plan eine rigorose Reißbrettbebauung aus sechs Bürohausmonstern, nützlichen Wegen und Straßen und einer klaren Abgrenzung des Memorial-Areals zum Rest der Wolkenkratzerwelt.
David Childs’ Skyline dominiert der welthöchste bauliche Finger wie ein Gewehrlauf mit aufgepflanztem Bajonett. Rund um das WTC-Gelände wird die einstige urbane Wüste aus Hochhäusern und Straßenschluchten rekonstruiert – zum Nutzen der Geschäftsleute. Die Konfrontation zwischen Neubauten und dem Memorial schließt auch der breite Riegel für ein Museum aus, hinter dem sich Arads Wasserbecken auftun.
Man kann den Erinnerungspark pragmatisch gesinnt noch als „Parken vom Alltag“, als Reflexionsort begreifen, der die Hektik des New Yorker Umfeldes nicht in den Ruheraum hereinlässt. Doch Childs’ und der Bauherren Pragmatismus geht so weit, dass er gerade jedes Erinnern an die städtische Katastrophe, den Akt des Terrors auf die Urbanität und ihrer Akteure bemäntelt. Das Loch, die Leere wird kaschiert, kritisierte der Künstler Horst Hoheisel einmal die amerikanische Sucht nach Umdeutung des 11. September zum malerischen Größenwahn. Zu Recht: statt Terror-Besinnung werden Kulissen fürs Happy End gebaut. ROLF LAUTENSCHLÄGER