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Archiv-Artikel

„Wie befreiend antiideologisch!“

betr.: „Elite-Universitäten? Man kann’s ja mal versuchen“, „Die Mitte und ihr Maß“, taz vom 9. 1. 04

Verlotterte Eliteneinbildung nenne ich die beiden Artikel zum Thema Elite-Universitäten. tazzwei als Spielwiese für zwei gleiche Positionen pro Elite-Universität werden nicht einmal mehr formal einer Pro-&-contra-Debatte unterzogen. Während am gleichen Tag in der FAZ eine Elite von unten verlangt wird und in der FR die US-Realität analysiert wird, bilden sich die taz-Schreiber wohl ein, zur Elite zu gehören, weil sie sie gegen „die Mitte und ihr Maß“ fordern. Der eine, Gastdozent in Stanford, findet es nicht anrüchig, wenn der Erstsemesterstudent dort seinen BMW parkt im Unterschied zu seinem Kollegen, der auf dem Fahrrad unterwegs zum überfüllten Hörsaal ist. Wie befreiend antiideologisch! Der zweite, Redakteur von brand eins, Herr Lotter, attackiert den Gutmenschen, dessen Reflex gegen Elite hochgeht. Seine mehrfach getwistete Geschichtsschreibung der Elite ist derart unhistorisch, dass er glatt der Elite zuschreibt, „zum Wohl aller arbeiten zu wollen, mit allen am Tisch zu sitzen, weil sie hören will“. Natürlich kann er keinerlei Beispiele seiner normativen Hochstapelei aufführen. Seine 68er-Referenz vom Traum der unterschiedslosen Gesellschaft wird selbst seinem Establishment von heute zu gestern nicht gerecht.

Der zitierte BMW-Student mag in Stanford ruhig parken, nicht aber außerhalb seiner ‚gated world‘. So viel Gesellschaftsanalyse sollte sich die taz schon erlauben. HALINA BENDKOWSKI, Berlin

Bei der derzeitig desolaten Situation an den Hochschulen hören sich die Regierungspläne zur Förderung von Elite-Universitäten an wie ein vorzeitiger Aprilscherz! Die ebenfalls erhobene Forderung nach mehr Studierenden könnte ja sogar verwirklicht werden, wenn denn die Mittel da wären, sie alle aufzunehmen, denn im letzten Semester gab es an den hessischen Universitäten einen Run auf die (noch) zulassungsfreien Studiengänge mit dem Ergebnis, dass auch diese total überlastet sind, so dass für das Sommersemester ein Aufnahmestopp verfügt werden musste. Der Hintergrund ist, dass die Mittel, die das Land den Unis zur Verfügung stellt, derart gekürzt wurden, dass sie nicht mal für die derzeitige Auslastung ausreichend sind, was zu massiven Stellenstreichungen führt. Auch das Aufgeben von ganzen Instituten ist im Gespräch. Wo, bitte sehr, sollen sich denn da Elite-Universitäten entwickeln?

HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel

Elite-Unis? Man kann’s ja mal sein lassen!

Mag sein, dass ein amerikanisches Vorbild als Modell nicht gleich „nach Amerika führt“. Aber: „eine Zweiklassengesellschaft von Bildung und Forschung (…), in der es eine Breitenversorgung für die Massen gibt (…).? Wie „bitte schön“ soll diese gewährleistet sein, wenn den Studierenden der Besuch obligatorischer Seminare verwehrt wird, wenn Veranstaltungen wochenlang ausfallen müssen, weil Räumlichkeiten für ca. 100 Leute erst einmal organisiert werden müssen („normale“ Größe wären 15 bis 25) oder wenn mensch sich für Anmeldungen für Prüfungen oder Einschreibungen in der Uni üblicherweise sechs Stunden und mehr anstellen muss? Die Liste ließe sich fortsetzen. Es gibt schon Studierende, die zu solchen Stichtagen heimlich in Uni-Gebäuden übernachten. Das ist menschenunwürdig. Ein Hohn, stattdessen über Elite-Unis zu diskutieren! ANDREAS BENJAMIN KRAMM, Leipzig

Dieses Land braucht dringend eine Elite-Regierung. Alle Wissenschaftler müssen die Einsetzung einer Expertenkommission für die Erarbeitung von Leitlinien für eine Qualitätsoffensive in der Regierungsarbeit fordern, damit Deutschland auch beim Herrschen und Regieren den international anerkannten hohen Standard auch in Zukunft halten kann, gell?

Ich kann mir schon vorstellen, dass unsere vorhandene Regierung dann rummosert und Streikaktionen vor dem Bundeskanzleramt startet und fordert, dass das dann aber nicht auf Kosten der Finanzierung der bisherigen Regierungsarbeit gehen darf (die ja ohnehin schon ständig unter schmerzhaften Kürzungen zu leiden hat?), aber darauf kann jetzt keine Rücksicht genommen werden. Wir müssen das Wichtige gleich tun. […] ISOLDE GRABENMEIER, Bonn

„Elite braucht von allem mehr“, taz vom 8. 1. 04

Die zurzeit wirklich wichtige Elite findet man z. B. in Menschenrechts- und Umweltverbänden. Jenen sollte man mehr zuhören, statt ihnen Steine in den Weg zu legen. Eine Elite haben wir – Schröder & Co. wissen’s nur nicht. Die Vordenker werden ignoriert oder als Querulanten abgetan – Resultat dilettantischer Erziehung und Schulbildung für die Masse. Solang Letzteres nicht geändert wird, weiß die ganze Gesellschaft nicht, was eine (der Gesellschaft förderliche) Elite überhaupt ist.

Erst braucht deshalb die träge Masse mehr Bildung, damit jene weiß, wer als Vordenker und weiser Vertreter gewählt werden sollte, und wessen Ideen als wahre Fortschritte zu unterstützen sind. […]

KLAUS BUGGISCH, Karlsruhe

betr.: „Elite-Idee der SPD sorgt für Wirbel“, taz vom 6. 1. 04

Die „neue SPD“ ist ein halbherziger Spätzünder. Beim Blick über den europäischen Kontinent lässt sich erkennen, dass andere sozialdemokratische Parteien bereits vor Jahrzehnten die nötigen Schlüsse gezogen haben, die sich mit dem Wandel von der Industrie- zur Wissensgesellschaft ergeben haben: eine groß angelegte Bildungsoffensive, die – im Gegensatz zum typisch deutschen Modell – nicht auf Selektierung, sondern in erster Linie auf Wissensvermittlung setzt. Vorbildcharakter haben hierbei insbesondere die skandinavischen Länder, die mittlerweile zu den reichsten der Welt gehören. So stehen beispielsweise in jeder öffentlichen dänischen Bibliothek Internet-Terminals für jeden zur kostenlosen Verfügung. Zustände, die in Deutschland undenkbar erscheinen. Hierzulande müssen selbst Kinder Gebühren entrichten, wenn sie ein Buch entleihen, um sich Wissen anzueignen. Die SPD ist deshalb gut beraten, „kleingeistige Personen“, die Instrumente wie Studiengebühren und Schulgeld fordern, zu ignorieren: Mit der Verknappung von Bildung ist im 21. Jahrhundert kein „volkswirtschaftlicher Blumentopf“ mehr zu gewinnen! RASMUS PH. HELT, Hamburg

Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor. Die erscheinenden Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.