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Archiv-Artikel

Rote, gelbe und grüne Passagiere

Die Datensammlungen über den Flugverkehr sollen nach dem Willen der US-Regierung noch weiter ausgedeht werden. Passagiere werden je nach „Gefährdungsgrad“ eingestuft. Kritiker halten das neue System für umständlich und ineffektiv

AUS WASHINGTON MICHAEL STRECK

Die US-Regierung will gegen den Widerstand von Fluggesellschaften und Datenschützern weitere Informationen über Fluggäste sammeln. Das Heimatschutzministerium drängt Fluglinien und Reisebüros, alle verfügbaren Daten über Passagiere zu übermitteln. Die vorab erhaltenen Passagierdaten sollen in Datenbanken eingespeist und anschließend mit anderen Informationen abgeglichen werden.

So werden zum Beispiel Kreditkartenabrechnungen herangezogen. Ziel ist, zu ermitteln, ob die Identität eines Reisenden „echt“ ist. Sobald die Identität von Reisenden feststeht, wird überprüft, ob sie auf Fahndungslisten von Bundespolizei und Geheimdienst auftauchen. Je nach „Gefährdungsgrad“ werden Passagieren dann Nummern und Farben zugeteilt. Die Einstufung „Rot“ verbietet einem Reisenden, das Flugzeug zu benutzen. „Gelb“ bedeutet, der Passagier wird bei den Grenzkontrolle stärker untersucht, und „Grün“ erlaubt normales Einreisen.

Um das neue Überwachungsprogramm voranzutreiben, setzt die US-Luftsicherheitsbehörde Fluggesellschaften unter Druck, ihr die Passagierlisten auszuhändigen. Kein Unternehmen kam der ersten Aufforderung vom vergangenen Herbst nach. Delta Airlines hatte ursprünglich als einziges Unternehmen in einer Pilotphase seine Zusammenarbeit angekündigt, machte jedoch einen Rückzieher, weil Verbraucherschützer dazu aufriefen, die Fluglinie zu boykottieren.

Seit Anfang Januar die USA ihre Einreisekontrollen verschärft haben, ist eine Debatte über den Sinn der neuen Datenerfassung entbrannt. Vor allem die Zielgenauigkeit und Effektivität der biometrischen Erfassung wird bezweifelt. „Die neuen Maßnahmen sind unsystematisch und ineffektiv“, schimpft Joshua Kurlantzick im Magazin New Republic. Die Kontrollen würden die Datenbanken der Heimatschützer unnötig mit Namen überfluten, die keine Bedrohung darstellten, und seien reine Ressoucenverschwendung.

Zudem sei das Vertrauen in Fingerabdrücke unbegründet, glauben Experten. „Sie sind nutzlos im Überwachen von Ausländern“, sagt der ehemalige CIA-Terrorspezialist Vince Cannistrarao. Die an der Grenze genommenen Abdrücke würden überwiegend mit vorhandenen Daten des FBI verglichen, die aus Listen illegaler Einwanderer und herkömmlicher Krimineller bestünden. „Es gibt fast keine Überlappung dieser Datenströme.“

Die lästigen Sicherheitsmaßnahmen könnten zum Verdruss der Tourismusindustrie noch mehr Ausländer von Reisen in die USA abschrecken. Auch Universitäten sehen ihre Austauschprogramme bedroht. Eine Umfrage im November unter 40 US-Hochschulen zeigte, dass die Visa von 350 Gastdozenten aus dem Ausland verzögert oder nicht genehmigt wurden.

Statt wahlloser Überprüfung schlagen Experten daher eine zielgenaue Überprüfung von Visa-Antragstellern und Reisenden bereits in jenen Herkunftsstaaten vor, die als größte Gefahrenzonen für den Terrorismus betrachtet werden. Konsularabteilungen in den betroffenen Ländern sollten mehr Geld und Angestellte erhalten. Zudem müsse die Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden in den jeweiligen Ländern besser abgestimmt werden. Dazu müsste die US-Regierung jedoch bereit sein, ihre Grundeinstellung zu ändern.