Kanther wegen Schwarzgeld vor Gericht

Der Ex-Bundesinnenminister und andere hessische CDU-Politiker müssen sich wegen Untreue verantworten. Das entschied gestern das Frankfurter Oberlandesgericht. Manfred Kanther zeigt sich uneinsichtig und reagiert mit Richterschelte

aus Frankfurt HEIDE PLATEN

Die Schwarzgeld-Affäre der CDU in Hessen soll nun doch ein gerichtliches Nachspiel haben. Das entschied gestern der 3. Strafsenat des Frankfurter Oberlandesgerichts (OLG). Die Konten mit dem illegalen Parteivermögen waren in der Schweiz angelegt und später in Liechtenstein unter dem Decknamen „Zaunkönig“ vom ehemaligen Bundesinnenminister Manfred Kanther, dem einstigen CDU-Schatzmeister Casimir Prinz zu Sayn-Wittgenstein und dem Finanzberater Horst Weyrauch versteckt und verwaltet worden. Alle drei müssen sich nun vor Gericht verantworten. Das OLG stellte fest, der Untreue-Verdacht gegen Kanther sowie jener der Beihilfe durch seine beiden Parteifreunde reiche aus, um ein Strafverfahren zu eröffnen.

Das hatte das Landgericht in Wiesbaden in einer Entscheidung im März 2002 noch anders gesehen. Es lehnte damals eine Anklage gegen Kanther ab. Die Tat sei fast 20 Jahre her und damit verjährt, der CDU sei auch kein Schaden zugefügt und das Parteivermögen nicht gefährdet worden. Die Staatsanwaltschaft legte Beschwerde ein. Die Frankfurter Richter gaben ihr nun Recht. Die Verjährungsfrist beginne erst mit der Aufdeckung der Konten im Winter 1999. Außerdem sei die CDU schon dadurch geschädigt worden, dass sie über ihr Geld nicht habe frei verfügen können. Zudem sei sie in der Folge von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) wegen falscher Rechenschaftsberichte mit einer Geldstrafe von 20 Millionen Euro belegt worden.

Kanther hatte am 14. Januar 2000 während einer Pressekonferenz eingestanden, 1983 als Generalsekretär für seine Partei über 20 Millionen Mark ins Ausland geschafft zu haben. Das Geld soll er zusammen mit Sayn-Wittgenstein von Konten der CDU-Hessen abgehoben und in der Schweiz wieder eingezahlt haben. Es floss nach und nach, getarnt als Kredite und jüdische Vermächtnisse, in die Parteikassen in Deutschland zurück. Bis heute blieb ungeklärt, woher es wirklich stammte. Immer wieder war vermutet worden, es handele sich um christdemokratische Restbestände aus der Staatsbürgerlichen Vereinigung, die als Waschanlage für Parteispenden aufgelöst worden war.

Die Schwarzgeldaffäre hatte auch Ministerpräsident Roland Koch (CDU) zum Beginn seiner ersten Legislaturperiode in Bedrängnis gebracht. Koch hatte damals versucht, sein Wissen um die Finanztransaktionen seiner engen Parteifreunde zu leugnen. Im Januar 2000 aber musste er eingestehen: „Ich habe die Unwahrheit gesagt.“ Er musste sich als „Lügner“ bezeichnen lassen und versprach „brutalstmögliche Aufklärung“. Im Zuge einer auch vom ihm mitverantworteten internen Untersuchung waren dann auch Unregelmäßigkeiten im Finanzgebaren seiner Parteizentrale aufgedeckt worden. Der damalige Generalsekretär und Koch-Intimus Franz Josef Jung musste sein Amt niederlegen.

SPD und Grüne setzten einen Untersuchungsausschuss durch, der wenig Klarheit schaffen konnte. Sie warfen Koch immer wieder vor, er habe lange vor seinem Eingeständnis Bescheid gewusst und seinen Wahlkampf 1999 mit Schwarzgeld finanziert. Sie begrüßten die OLG-Entscheidung gestern Nachmittag. SPD-Fraktionsvorsitzender Jürgen Walther erklärte, er erhoffe sich, dass nun „Bewegung in die Wahrheitsfindung“ komme. Manfred Kanther reagierte mit Richterschelte. Man sei „erstaunlicherweise“ nahezu ausschließlich den Argumenten der Staatsanwaltschaft gefolgt. Die Gründe, die das Landgericht Wiesbaden 2002 dazu brachten, das Verfahren einzustellen, würden kaum gewürdigt. Kanther habe, sagte sein Rechtsanwalt, nichts Unrechtmäßiges getan. Niemand habe sich in der Finanzaffäre auch nur um einen Pfennig bereichert. Die falschen Rechenschaftsberichte seien nur „ein politischer Fehler“, für den Kanther die politische Verantwortung schon längst übernommen habe. Auch das Wiesbadener Landgericht hatte im Frühjahr 2002 eine Eröffnung des Hauptverfahrens unter anderem mit der Begründung abgelehnt, dass der CDU durch die geheimen Transaktionen kein Vermögensschaden entstanden sei.

Die hessische CDU erklärte, dass sie die Entscheidung „zur Kenntnis nehme“. Die Partei habe, so Generalsekretär Michael Boddenberg, „durch ihre Aufklärungsarbeit das Vertrauen der Bürger erfolgreich zurückgewonnen“.