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Archiv-Artikel

Drittes Kita-Jahr für umme?

Wie bekommt man die Kinder „bildungsferner“ Eltern in den Kindergarten? Die CDU will sie locken, indem sie Beitragsfreiheit im dritten Jahr fordert. SPD will „gezielte Ansprache“ und mehr Personal.

SPD: Für uns hat die Qualität der Betreuung durch eine zweite Kraft Vorrang.

taz ■ „Ich hoffe, dass die Kitas zum Wahlkampfthema werden“, hat der für die Kindergärten zuständige Staatsrat Arnold Knigge kürzlich gesagt. Das könnte sein – wenn auch vielleicht etwas anders, als er und die Partei, der er angehört, die SPD, es gerne hätten. Denn die CDU hat auf ihrer Programm-Klausur beschlossen, dass das dritte Kita-Jahr beitragsfrei für alle sein soll. Hintergrund der Idee ist nicht nur, dass die Partei damit in die Fußstapfen der erfolgreichen niedersächsischen CDU treten will – dort dürfte das kostenlose dritte Jahr demnächst umgesetzt werden – sondern auch, weil die Christdemokraten die vorschulische Bildung im Kindergarten stärken möchte. Und das geht nur, wenn man dort alle erreicht wie in der Schule auch.

Beitragsfreiheit wäre „unter dem Aspekt eines Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz nur konsequent“, schreibt zwar auch die SPD in ihrem Wahlprogramm, die Finanzierung hat aber gegenwärtig keine Priorität. “Wir haben das kontrovers diskutiert“, berichtet der Sozialpolitiker der SPD, Frank Pietrzok. Ergebnis: Gebührenfreiheit sei „im Augenblick der falsche Weg“. Die SPD hat in ihrem Wahlprogramm also keine entsprechende Vision. Hier steht lediglich: “Wir wollen, dass alle Kinder den Kindergarten besuchen. Insbesondere Kindern aus Zuwandererfamilien muss der Zugang noch stärker durch gezielte Ansprache ermöglicht werden.“ Beitragsfreiheit ist im SPD-Programm nur „mittel- und langfristiges Ziel.“

Die Elternbeiträge aus einem Kita-Jahrgang machen derzeit rund 3 Millionen Euro aus. Auch die SPD will in die Kitas mehr Geld stecken, sie will aber zunächst an der Finanzierung einer zweiten Kraft in den Kernstunden der Kitas arbeiten.

Jenseits aller Wahlkampf-Taktik stellt sich für das Thema Beitragsfreiheit ein konkretes Problem: Defizite in der vorschulischen Bildung haben vor allem Kinder aus Migranten-Familien und „bildungsferne“ deutsche Familien, die in der Regel nur den Mindestsatz für die Kita zahlen müssen. Teuer würde das Umsonst-Jahr wegen der Kinder begüterter Eltern, die das wiederum nicht nötig hätten. „Wir sehen nicht ein, dass wir das finanzieren“, sagt Pietrzok, „für uns hat die Betreuung durch eine weitere Kraft Vorrang.“

Würde man durch das Angebot der Beitragsfreiheit überhaupt diejenigen erreichen, um die es geht? Das ist die Frage, die die SPD sich stellt. „Insbesondere Kindern aus Zuwandererfamilien muss der Zugang noch stärker durch gezielte Ansprache ermöglicht werden“, formuliert die Partei das Problem.

Für die Grünen hat „Mehr Geld für Bildung“ Vorrang vor vielen anderen Investitionsideen und „Bildung fängt im Kindergarten an“, sagt Anja Stahmann, die sozial- und bildungspolitische Sprecherin der Grünen. Sie fordert daher seit längerem die volle Beitragsfreiheit für alle Kindergarten-Jahre, wie sie etwa im Saarland selbstverständlich ist – obwohl auch dieses Land ein Sanierungsfall ist. Dort ist auch das Bildungs-Ministerium zuständig für die Kindergärten, was die Sache einfacher macht – in Bremen fordert das derzeit keine der Parteien der großen Koalition. Bei der Finanzierung gibt es auch aus anderen Gründen Nachschlag-Bedarf, sagt Stahmann: Im Kita-Etat des Sozialressorts fehlen auch ohne das Angebot der Beitragsfreiheit 7 Millionen Euro.

Wenn es nach den Grünen ginge, dann würde der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz auch erst um 14 Uhr enden und nicht schon um 12 Uhr. Für die von der SPD ins Spiel gebrachte Zweitkraft, die auch Grüne fordern, gilt allerdings: „Es muss eine qualifizierte Zweitkraft sein, nachdem bei der Personalausstattung in den Kitas in den letzten Jahren immer wieder gespart wurde. Das Wörtchen „qualifiziert“ fehlt im Wahlprogramm der SPD. Wie übrigens die Forderung nach Beitragsfreiheit im dritten Jahr auch bei der CDU nicht schriftlich im Wahlprogramm niedergelegt ist: Erst nach der Klausur teilte Landesvorsitzender Bernd Neumann den Beschluss mit – und auch, dass er die Finanzierung der Idee bereits „dem Finanzsenator abgerungen“ hätten.

Klaus Wolschner