Auf die persönliche Art

Im Medienbüro von Katrin Rohnstock können sich Menschen wie du und ich die Bücher ihres Lebens schreiben lassen

Sommer 1943: Die aus Nazi-Deutschland emigrierte jüdische Familie Arons landet in der amerikanischen Provinz. Der Vater arbeitet als Statistiker, die Mutter näht für die Navy. Die Einheimischen aber gehen zunächst auf Distanz. „Es dauerte seine Zeit, bis ich neue Freunde hatte“, erinnert sich Klaus Arons, damals sieben Jahre alt. „Obwohl ich klein und schmächtig war, hatten die Jugendlichen eine Zeit lang Angst vor mir: Für die war ich der böse Deutsche.“

Klaus Arons hat sich im Medienbüro Katrin Rohnstocks das „Buch seines Lebens“ schreiben lassen. Hier haben bereits siebzig Personen, einfache Leute, keine Prominenten, ihr Leben auf Band gesprochen und sich wenige Wochen später ihre transkribierten und sortierten Erinnerungen zwischen zwei Buchdeckeln abgeholt – Oral History der ganz persönlichen Art.

Der Unterschied: Während die meisten um die 20 Exemplare für ihre Kinder und Enkel abholen, hat Klaus Arons von seinem Buch „Rambling – destination unknown“ gleich 100 bestellt. Das hat einen Grund: Sein Buch soll nicht nur von Freunden gelesen werden, sondern auch von Museumsbesuchern. Drei Exemplare finden sich in der Bibliothek des Jüdischen Museums.

Dort hängen auch in Öl die Ahnen von Klaus Arons, die, wie er erzählt, sehr einflussreich waren. Urgroßvater Albert war erfolgreicher Bankier. Großvater Martin Leo machte Universitätskarriere und erfand die Quecksilber-Dampflampe, die sich im Jüdischen Museum begutachten lässt. Vater Hans Arons studierte in Breslau Rechts- und Staatswissenschaften und machte Gewerkschaftskarriere als Experte für Statistik. 1932 heiratete er die Stenotypistin Eveline Busch. Fotos zeigen das Paar bei einem Ausflug im Ruderboot.

Nach der Pogromnacht kam der Vater zwei Monate ins KZ Sachsenhausen – und doch wieder nach Hause. Fünf Jahre später gelingt es der Familie, nach Panama auszuwandern. In der neuen Heimat versuchten sich die Arons als Tierzüchter und im Gemüseanbau. Doch es „fehlte einfach an Erfahrung.“ Also brach die Familie in die USA auf. Klaus Arons erzählt von seiner dort verbrachten Kinderzeit, von Canasta-Abenden, Schule und Sport, Rassentrennung in Tennessee – und der Hoffnung des Vaters, nach Kriegsende wieder in die alte Heimat zurückzukehren. Doch der Vater stirbt 1949. Die Mutter macht sich mit den 14-jährigen Zwillingen auf nach Deutschland. Zurück in Berlin, haben es Klaus und Martin schwer, denn Deutsch ist ihnen zur Fremdsprache geworden. Hinzu kommen Irritationen hinsichtlich der Staatsbürgerschaft. „Staatenlos“ stand in ihren Pässen.

Mit 18 Jahren geht Klaus Arons freiwillig zur US-Army. Fast dreißig Jahre lang pendelt er zwischen Deutschland und den USA hin und her. „Rambling – destination unknown?“ – keine schlechte Wahl für ein Buch über ein solch ruheloses Leben. Erst spät kehrt Arons endgültig nach Deutschland zurück. Heiratet 1966 Renée, zieht 1969 nach München, arbeitet bei Siemens und sucht nebenbei Anschluss an ein linkes, studentisches Milieu. Die junge Familie bekommt Nachwuchs, drei Söhne. Sie kaufen sich einen VW Käfer, später ein Haus und scheinen nach und nach im bundesrepublikanischen Alltag anzukommen.

Von all dem erzählt Klaus Arons bewundernswert offen, auch von Freundschaften zu anderen Frauen, die das eheliche Verhältnis belasteten, von Trennung, von Erziehungsschwierigkeiten – kurz: vom Leben eines ganz normalen, ganz besonderen deutschen Mannes.

ANDREAS HERGETH

„Rambling – destination unknown: Lebenserinnerungen von Klaus Arons“, erschienen bei Katrin Rohnstock Medienbüro, Berlin, 278 Seiten, Telefon: 42 85 22 55, www.katrin-rohnstock.de