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Archiv-Artikel

Mitspielen, aber nach eigenen Regeln

Der Online-Shop „gemischtwaren.com“ in Ehrenfeld führt Artikel des täglichen Bedarfs. In den Regalen finden sich neben lokalem Kräuterschnaps auch CDs und Kunsthandwerk. Inhaber Thor Zimmermann setzt auf Identifikation mit dem Veedel

VON CHRISTIAN MEYER

Ein Gemischtwarenladen in Ehrenfeld: Der im Januar eröffnete Laden „gemischtwaren.com“ ist etwas ganz altes ganz neu. Die Antiglobalisierungsgefühle sind in den Stadtteilen angelangt und treiben ganz eigentümliche, lokalpatriotische Blüten. Hipster in T-Shirts mit aufgedruckten Stadtteilnamen prägten im letzten Sommer das Stadtbild, Stadtteilpostkarten erleben gerade eine Hochsaison und kleine Läden mit Tante-Emma-Flair gibt es auch wieder. Der Ehrenfelder Laden „gemischtwaren.com“ – vor dem Punkt ganz altmodisch, dahinter up-to-date – spiegelt einen Zwiespalt, der vielfältig aufzuspüren ist: ein Unbehagen vor aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen und der Wunsch, mit modernen Mitteln im Hier und Jetzt mitzuspielen – aber nach den eigenen Regeln.

Da muss der Online-Shop www.gemischtwaren.com schon sein, auch wenn der zur Zeit nur wie eine Webcam funktioniert: Man kann sich dort lediglich das Sortiment angucken, Bestellungen sind noch nicht möglich. Im Laden selber geht es auf den ersten Blick konventioneller zu, die Regale sind gut gefüllt mit Artikeln des täglichen Bedarfs.

Doch überraschenderweise findet man dazwischen auch Kunst und Kunsthandwerk. Das sollte aber eigentlich nicht verwundern, denn der Ladeninhaber Thor Zimmermann, der im Hauptberuf Bilderrahmen baut, war früher Galerist. Von 1990 bis 1996 führte er die Galerie am Schlachthof (Atelier, Proberaum und Galeriebetrieb) in der Liebigstraße und ab 1996 die Galerie Thor Zimmermann in der Körnerstraße. Im Mai 2002 hat er deren Betrieb eingestellt, da sich die Galerie finanziell nicht getragen hat. Am 8. Januar hat nun der neue Laden „gemischtwaren.com“ eröffnet.

„Für mich war klar, dass ich das nicht mehr als Galerie aufmache – einfach aus finanziellen Gründen –, sondern dass ich versuche, ein bisschen was zu verdienen, indem ich auch alltägliche Artikel anbiete und nicht nur Kunst“, erklärt Zimmermann den Wandel. Diese Artikel des täglichen Bedarfs, vom Papierrollenhalter bis zum Wein, haben allerdings auch ihre Eigenart: Sie alle stammen wie auch der Ehrenfelder Kräuterschnaps aus regionaler Produktion oder sind wie diverse Künstler-CDs oder die DVDs des „Raum für Projektionen“ in Eigenproduktion hergestellt. Und auch Selbstgebasteltes findet hier einen Platz. Die Vorliebe für kleine Produktionen, Selbstgebasteltes und Autodidakten hat Zimmermann seit seinen Anfängen mit der Galerie am Schlachthof behalten.

Daher freut sich Thor Zimmermann immer auf Vorschläge und nimmt gerne neue Artikel in sein Programm auf (Kontaktaufnahme über die Website). Gerade im Lebensmittelbereich gibt es aber kaum noch kleine, lokale Produzenten. „Das ist schwer zu finden, da gibt es kaum noch was, vieles ist am aussterben!“, sagt Zimmermann.

Im Zuge der wieder erwachten Identifikation mit dem eigenen Veedel kann aber auch ein Ehrenfelder Kräuterschnaps zum Kultgetränk werden. Die Stadtteilpostkarten von „schoenegruesse“ (gibt es auch mit Fahrbahnmotiven der Nord-Süd-Fahrt!) sind jetzt schon ein Renner im Laden. Der Aufbau eines modernen Antiquariat mit einzelnen, ausgewählten Titeln, die durchaus den Geschmack des Ladeninhabers spiegeln, und einige Second-Hand-Platten und -Bücher sollten auch Kunden jenseits von Ehrenfeld anziehen.

gemischtwaren.com, Körnerstrasse 9, 50823 Köln-Ehrenfeld, 0221-5626802, geöffnet Di-Fr: 11-19 Uhr, Sa: 11-16 Uhr