: Die Moralkeule spielt keine Rolle
Die Verbraucherinitiative hat die Kampagne „fair feels good“ gestartet, um den fairen Handel aus der Nische zu bekommen. Initiator Volkmar Lübke sagt, wo es langgehen soll: Die Qualität fair gehandelter Produkte muss bekannt gemacht werden
INTERVIEW ANNETTE JENSEN
taz: Der faire Handel ist in Deutschland eine Nischenerscheinung. Jetzt hat die Verbraucherinitiative die Kampagne „fair feels good“ gestartet, die vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit bis Ende 2005 mit 3,3 Millionen Euro finanziert wird. Woran liegt es, dass der faire Handel in Deutschland bisher nicht mehr Erfolg hat?
Volkmar Lübke: Die Gründe sind vielfältig. Zum einen ist der Preisabstand zu normal gehandelten Produkten ausgerechnet beim Kaffee, dem Leitprodukt des fairen Handels, in Deutschland sehr groß. Bei Orangensaft oder Tee zum Beispiel ist die Differenz wesentlich geringer. Zum anderen gibt es hier in Deutschland eine sehr große Vielfalt von Anbietern mit unterschiedlichen Verpackungen. In anderen europäischen Ländern ist der faire Handel wesentlich stärker vereinheitlicht, und der Wiedererkennungswert ist dadurch größer.
Wirkt sich der Wiedererkennungswert dort positiv auf den Umsatz aus?
Auf jeden Fall. In Großbritannien haben sich die großen Akteure des fairen Kaffee- und Teehandels zusammengeschlossen und eine faire Marke mit verschiedenen Sorten kreiert. Das bringt nicht nur Preis-, sondern auch Marketingvorteile, weil die Kunden die Marke in jedem Supermarkt sofort wiedererkennen. Die Verpackung ist sehr schön gestaltet und der Qualitätsaspekt wird in den Vordergrund gerückt. Es wurde viel Geld investiert, um supergute Produkte anbieten zu können. Dagegen spielt die Moralkeule „Bitte, bitte, kauft doch unseren Kaffee von armen, gequälten Kleinproduzenten“ gar keine Rolle. Der Erfolg spricht für die Strategie: Obwohl der Kaffeekonsum in Großbritannien sinkt, hat Cafédirect jährliche Steigerungsraten um die 20 Prozent und ist inzwischen der fünft- oder sogar sechstgrößte Kaffeeanbieter auf dem britischen Markt.
In Deutschland dümpelt der faire Kaffeekonsum bei einem Prozent. Wie will die Kampagne etwas daran ändern?
Wir haben keinen Einfluss darauf, wie die Importeure und Händler miteinander kooperieren – wozu sie allerdings durch die Gründung des „Forums Fairer Handel“ endlich einen wichtigen Schritt getan haben. Wir konzentrieren uns auf die Ansprache der Verbraucher. Die Kampagne will vor allem die über 30 Prozent der Leute informieren, die den fairen Handel im Prinzip gut finden, aber nicht so genau Bescheid wissen. Die Hauptbotschaft ist: Wenn du fair kaufen möchtest, dann achte im Supermarkt auf das Transfair-Siegel oder gehe in einen der 800 Weltläden, wo alles fair gehandelt ist. Die dritte Möglichkeit ist die Bestellung übers Internet. Natürlich geben wir auch Hinweise, warum der faire Handel sinnvoll ist – schließlich wird die Kampagne im Rahmen der Armutsbekämpfung vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung finanziert.
Aber in vielen Supermärkten gibt es bis heute keine Transfair-Produkte.
Das ist ein Problem. Wir hoffen natürlich, dass die Kampagne eine Nachfrage-Dynamik auslöst, sodass es die Produkte dann irgendwann flächendeckend gibt. In Österreich hat es vor ein paar Jahren ebenfalls eine große Gemeinschaftsaktion gegeben – mit absolut ermutigenden Ergebnissen. Fair gehandelte Bananen kamen erstmals in die Supermärkte. Aber auch in den Weltläden ging der Umsatz hoch und weitere neue Weltläden wurden eröffnet.
Es haben also alle profitiert?
Natürlich lässt sich das nicht unmittelbar auf Deutschland übertragen. Dadurch, dass in Österreich die beiden großen Supermarktketten Billa und Coop mitmachen, hatte man 70 Prozent des Einzelhandels im Boot. Das ist natürlich wesentlich weniger kompliziert als in Deutschland, wo es eine sehr vielfältige Handelslandschaft gibt, die im Moment im kannibalistisch-ruinösen Preiskampf steht. Außerdem ist der österreichische Konsument bereit, für Qualität ein bisschen mehr zu bezahlen. Das sieht man auch daran, dass der Anteil an Biolebensmitteln in Supermärkten wesentlich höher ist als hier.
Welche Entwicklungschancen sehen Sie für den fairen Handel in Deutschland?
Es wäre gut, wenn alle an einem Strang ziehen in Sinne von gemeinsamem Auftritt und Erscheinungsbild. Der faire Handel hat im Prinzip eine große Chance: Er kann zum Nukleus werden für ein umsetzbares Konzept eines nachhaltigen Konsums. Ökologie, Ökonomie und Arbeitsbedingungen gehören zusammen – und das ist im Fair-Trade-Markt heute schon bei vielen Produkten der Fall.
Darum sollte man übrigens nicht allein den sozialen Aspekt betonen. Allerdings muss auch auf der Verbraucherseite die Erkenntnis wachsen, dass der Preis nicht alles ist. Das Motto „Geiz ist geil“ geht natürlich in die andere Richtung. Aber immer billiger einkaufen heißt auch, dass die Qualität der Rohstoffe und der Verarbeitung sinkt – was sich letztendlich auch gegen die Interessen der Verbraucher selbst richtet. Eigentlich dürfte man die fair gehandelten Kaffees, die heute eine sehr hohe Qualität haben, gar nicht mit Billigkaffees vergleichen.
Wieso sind die fair gehandelten Produkte qualitativ hochwertig?
Nehmen wir das Beispiel Kaffee: Die Kleinbauern ernten nur die reifen Bohnen und verlesen sie mit der Hand. Klar ist, dass dabei ein besseres Produkt zu erwarten ist als bei industrieller Massenproduktion.
Außerdem pflegen die Kleinbauern ihre Pflanzen sorgsam, weil sie wissen, dass sie nächstes Jahr wieder davon abhängig sind. Und auch in der Verarbeitung muss man sich viel Mühe geben, wenn man einen Kaffee im Hochpreissegment anbieten will. Leute, die wie früher in der Soli-Szene bereit waren, für einen qualitativ schlechten Kaffee einen hohen Preis zu zahlen, gibt es heute fast nicht mehr. Leider sind die hohe Qualität und die Sortenvielfalt der fairen Produkte noch nicht allen Verbrauchern bekannt.