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Archiv-Artikel

„Jetzt noch mal von vorne“

Wieviel Papageien wohl in der Domstadt ihr Zuhause haben? Vogelfreunde haben am Samstag gezählt. Die taz nutzte die Gelegenheit und beobachtete die statistische Erhebung der anderen Art

VON JEANNETTE SEIFFERT

Fünf Vogelfreunde, bewaffnet mit Ferngläsern und Klemmbrettern: derart ausstaffiert geht die Kölner „Ornithologische Arbeitsgemeinschaft“ auf Papageiensuche. Sämtliche in Köln frei lebenden Halsbandsittiche (wissenschaftlich: Psittacula krameri) sollen heute Abend gezählt werden. Klingt nach einem eher hoffnungslosen Unterfangen, aber zum Glück sind die Sittiche gesellig: Inmitten der „Riehler Heimstätten“, auf ein paar frei stehenden hohen Bäumen zwischen den Gebäuden des Altenheims, sammeln sie sich allabendlich. „Da hinten kommen schon die ersten Schwärme“, rufen die Papageienfans, und tatsächlich, eine Traube smaragdgrüner Vögel flattert heran und nimmt den ersten Baum in Beschlag – ein ohrenbetäubendes Gezwitscher und Gekreische hebt an. „Sind sie nicht wundervoll?“ schwärmt Georg Prokop, einer der Papageienzähler.

Seit zehn Jahren geht er alljährlich mit anderen Vogelbegeisterten auf Papageiensuche: „Aber es ist immer wieder aufs Neue faszinierend.“ Fast einen halben Meter groß werden die Sittiche, und in Köln gibt es sie schon seit fast 40 Jahren. Die ersten sind vermutlich aus einem Käfig entwischt, und seither vermehren sich die possierlichen Tierchen munter weiter. Und seit einiger Zeit haben sie sich das Alten- und Behindertenheim als Schlafstätte auserkoren. „Für die Heimbewohner ist es vielleicht nicht so toll – der Lärm hört zwar auf, sobald es dunkel wird, fängt aber früh am Morgen wieder an,“ meint Claus Walter vom Kölner NABU – auch er will heute Abend fleißig mitzählen.

„Man muss abwarten, bis sie sich auf den Bäumen gesammelt haben und zur Ruhe gekommen sind, und dann stellt man sich drunter und zählt – am besten die Schwänze, weil die hängen ja von den Ästen runter“, erklärt Angelika Kahl-Dunkel, und kurze Zeit später macht sich die Papageienliebhaberin eifrig an die Arbeit: „Ist gar nicht so einfach, weil die bleiben natürlich nicht brav sitzen, sondern hüpfen immer wieder von Ast zu Ast oder flattern zum Nebenbaum. Man muss sich einfach wahnsinnig konzentrieren.“

Intuition hilft

In diesem Moment schreckt ein Geräusch die Papageien auf – der ganze Schwarm flattert wild durcheinander. „Jetzt muss ich wieder von vorn beginnen,“ meint Papageienfreundin Ute Schulz mit stoischer Gelassenheit. „Das passiert halt manchmal.“ Und wenn die Angelegenheit gar zu mühselig wird, hilft eben die Intuition ein bisschen mit beim Zählen: „Also ich bin mir vom Gefühl her sicher, dass ich bei diesem Baum mindestens 150 Vögel übersehen habe.“ Spricht‘s und schlägt es mutig auf ihre Rechnung drauf. Inzwischen ist man bei knapp über 900, im letzten Jahr waren es 1000. „Aber mein Bauch sagt mir, dass es diesmal mehr sind.“ Also wird tapfer weitergezählt. Am Nachbarbaum kapitulieren die Statistiker bereits: „Ich gebe auf, es sind einfach zu viele,“ seufzt Claus Walter, „man bräuchte mindestens zehn, fünfzehn Leute, um seriöse Zahlen zu bekommen. So geht das nicht.“

Doch was treibt diese Menschen eigentlich dazu, sich bei abendlicher Januarkälte unter Bäume zu stellen und Papageienschwänze zu zählen? „Es ist für uns einfach interessant zu wissen, wie sich die Population in Köln entwickelt. Und sollten es auf einmal dramatisch weniger werden, müssten wir Schutzmaßnahmen ergreifen,“ erklärt Walter.

In Wirklichkeit sieht es aber eher so aus, dass die gefräßigen Tierchen Vorgärten abfressen und einheimischen Vögeln die Nistplätze wegnehmen. Als es schließlich zu dunkel zum Zählen ist, steht jedenfalls fest, dass der Papageienbestand in Köln derzeit nicht bedroht ist: Man einigt sich auf mindestens 1.150 Stück, und die Papageienwallfahrer können mit klammen Händen, aber befriedigt nach Hause fahren. Nur Claus Walter ist nicht ganz überzeugt: „Man sollte auf jeden Fall in diesem Winter nochmal nachzählen.“