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Archiv-Artikel

Mit „C“, wohlgemerkt

Viktoria oder Victoria? Wie sich ein Fußballlandes- und ein Oberligist um einen Buchstaben streiten – und warum Tempelhof internationale Bedeutung hat

Jürgen Pufahl reagiert allergisch, wenn ihm jemand ein C für ein K vormachen will. „Langsam ärgert mich die Sache“, schimpft der Rechtsanwalt. Der Streit zwischen zwei Kickergilden aus Tempelhof und Lichterfelde nimmt absurde Züge an.

Pufahl vertritt den VfB Lichterfelde, der sich im Fußball-Alphabet verdribbelt hat. Im April 2003 beschloss der Club mit überwältigender Mitgliedermehrheit, sich in „Lichterfelder FC Victoria 1892“ umzutaufen. Victoria mit C, wohlgemerkt! „Wir wollen raus aus der Lichterfelder Anonymität und Berlin im Namen führen“, begründet VfB-Vorsitzender Peter Ernst.

Ein Verein aus dem Landesliga-Off fühlt sich von dem neuen Wort-Monstrum aus der Amateuroberliga provoziert: der BFC Viktoria 1889 (mit K, wohlgemerkt!) aus Tempelhof. Dessen Präsident Sven Leistikow argwöhnt, dass sich die Lichterfelder umbenennen wollen, um vom Winner-Image seines Clubs zu profitieren. „Man hat es auf die Werbewirksamkeit unseres Namens abgesehen. Wir sind der Meinung, dass unser Name hohe Bedeutung hat – national und international“, wettert der Viktoria-Boss und hat gegen den VfB „Klage auf das Namensrecht“ eingereicht.

„Viktoria 89“ als nationale und internationale Erfolgsmarke? Kenner der Szene tun sich schwer damit. Ihre größten Taten vollbrachten die Tempelhofer nämlich im Kaiserreich: 1908 und 1911 holte Fußball-Dino Viktoria den deutschen Meistertitel an die Spree. Wahrscheinlich um die erfolglose Zeit nach Einführung der Republik nicht allzu lang erscheinen zu lassen, fügt Leistikow bedeutungsschwer hinzu: „In den Sechzigerjahren empfing Viktoria die Mannschaft von Real Madrid zu einem Freundschaftsspiel.“

Seine Vorwürfe stoßen in Lichterfelde auf Unverständnis. „Da kann ich nur lachen“, poltert VfB-Vorsitzender Ernst und tritt gegen den Namensrivalen verbal nach: „Welche Sponsoren sollen wir denen denn abwerben – haben die überhaupt noch welche?“ Er erinnert an Leistikows Vorgängerin Luise Pfannenschmidt, die sich voriges Jahr für eine Fusion des Kicker-Urgesteins einsetzte – ausgerechnet mit dem jetzt verklagten VfB Lichterfelde. Der Zusammenschluss zum „Lichterfelder FC Viktoria 1889“ (damals mit K, wohlgemerkt!) schien beschlossene Sache, bis die „89“-Basis ihr Veto einlegte. Die Tempelhofer Traditionalisten befürchteten ein Outsourcing ihres Vereinslebens nach Lichterfelde.

Sinnt der verschmähte VfB jetzt auf Rache, indem er wenigstens den Namen des Wunschpartners übernimmt? „Ach was“, antwortet Ernst, „der Name Victoria gefiel uns im Vorstand am besten. Es gibt bundesweit 60 Vereine dieses Namens. Will man die jetzt alle verbieten?“ Was der Vorsitzende nicht verschweigt: Eine semantische Anlehnung an seinen Sponsor „Victoria“-Versicherungen käme dem VfB nicht ungelegen.

Bevor es so weit ist, haben die Juristen das Sagen – was dauern kann. Die für den 15. Januar anberaumte Verhandlung vor dem Amtsgericht Schöneberg wurde abgesetzt. „Ich habe kurz vorher ein Fax bekommen, dass die Verhandlung an das Amtsgericht Charlottenburg verwiesen werden soll. Da spielt jemand auf Zeit“, stöhnt Lichterfeldes Anwalt Pufahl. JÜRGEN SCHULZ