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Archiv-Artikel

Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Die Bundeswehr wird zur Interventionsarmee – ihr neuer Slogan könnte heißen: Wir sind die netteren Besatzer. Und mit dem Zivildienstleistenden wird ein Phänomen verschwinden, das irgendwie nie zur deutschen Geschichte passte

Von SR

taz: Was war schlecht in der letzten Woche?

Friedrich Küppersbusch: Die unerhört oberflächliche und modebewusste Nicht-Debatte über die Wehrpflicht.

Was wird besser in dieser?

Hoffentlich das Wetter.

Bundesverteidigungsminister Struck scheint in Angriff zu nehmen, wovon Rühe immer nur redete: den Umbau der Bundeswehr in eine Interventionsarmee. Ist das schlimm? Wird hier die Militarisierung der Außenpolitik besiegelt?

Es entspricht der Bedrohungslage – beziehungsweise ihrer Abwesenheit in Europa. Nach den Buchstaben des Grundgesetzes jedenfalls kann man zurzeit eine verfassungskonforme Armee – nur zur Landesverteidigung – auflösen. Der Grundgesetzpassus über kollektive Sicherheitssysteme würde noch Nato-Einsätze erlauben, deren Gebiet aber auch deutlich vor dem Hindukusch endet. Die Bundesregierung handelt verfassungswidrig – beziehungsweise im Vorgriff auf die Änderung des Grundgesetzes.

Aber müssen die Europäer nicht militärisch aufholen, um die globale Macht der USA ein wenig zu bremsen?

Das hat sicher was Grünes, wenn Deutschland international mit dem Slogan „Wir sind die netteren Besatzer“ vorstellig wird.

Parallel dazu wird der Zivildienst derzeit in den Medien mal wieder verabschiedet. Ist es gut, wenn der Zivi-Zwang verschwindet?

Nein, das ist falsch. Und wird teuer. Der friedensdienende junge Mann ist, bezogen auf die deutsche Geschichte der letzten Jahrhunderte, eine Sensation der Vernunft. So was lassen wir uns offenbar nicht gern nachsagen.

Also wären die Zivildienstleistenden ein Verlust?

Ja, und die Wehrpflicht insgesamt. Die Rotzlöffeligkeit, mit der selbstverliebte Neudeutsche alle Erfahrungen mit der Weimarer Armee, einem „Staat im Staate“, kurz: den Berufssoldaten Hitler wegwischen, ist historisch blind. Beim Bund kann man auf Kurzsichtigkeit wenigstens ausgemustert werden. Klar putscht die Berufsarmee nicht schon morgen, aber eben noch staunten wir, wo in diesem Land für Hohmann geklatscht wird: beim Bund. Und was der Wehrbeauftragte so abkotzt über Nazitendenzen. Schließlich: Als Kohl 1991 beim ersten Golfkrieg der USA die Jungs gen Türkei schickte, gab es den historischen Verweigerungsrekord bei Wehrpflichtigen und auch Zeitsoldaten. Er konnte nicht mitmachen. So war die Wehrpflicht, der „Bürger in Uniform“, gemeint. Die Naivität der Grünen ist satirisch nicht mehr zu überspitzen.

Bei der Gesundheitsreform wollte Rot-Grün die chronisch Kranken ausnehmen – doch wer dazu zählt, war unklar. Ist Stümperei eigentlich ein rot-grünes Markenzeichen? Oder sind solche Strukturreformen einfach so kompliziert, dass es nur mit Nebenwirkungen geht?

Diese Reform ist heftiger als die früheren, geht aber in die nämliche Richtung: Profite bleiben unangetastet.

In Bombay treffen sich die Globalisierungskritiker. Viele meinen, dass die Hochzeit der Globalisierungskritik vorbei ist. Stimmt das?

Nein. In Deutschland ist ihr genuines Sammelbecken – die Ökobewegung – nur so sehr mit den Sachzwängen einer Regierungspartei geknechtet, dass es nicht ins Rollen kommt.

Vielleicht ist die globale Lage ja zu differenziert für Antikapitalismus geworden?

Nein. Die globalisierungskritische Bewegung vertritt qualifizierte Kritik und keinen vorreligiösen Gegenentwurf. Das ist – ideell – ihr größter Vorzug und – politisch – ihr größter Nachteil.

Morgen wird das Unwort des Jahres bekannt gegeben? Ein Tipp? Oder Wunsch?

Das war schon schwerer. 2003 eindeutig: „Tätervolk“. Wetten?

Jetzt kommt eine unvermeidliche Frage: Was kann man zu der RTL-Dschungelshow sagen? Oder besser: Sollte man sie einfach ignorieren?

Die erste Folge mit Saddam Hussein war doch grandios.

Zweiter Versuch. Warum gucken sich sieben Millionen deutsche TV-Zuschauer das an? Weil es ein auf ziviles – ohne Schwerverletzte – Niveau befördertes Milgram-Experiment ist?

Weil es eine funktionierende Medienpartnerschaft gibt. Das ist noch das Interessanteste daran: „Superstars“ mit Bild läuft, ohne Bild ist es tot. Beim Promi-Lager war Bild von vornherein eingebunden.

Und was macht Borussia Dortmund?

Verkauft Rosicky. (wendet sich ab, weint) FRAGEN: SR