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Archiv-Artikel

Sport oder Straftat

Tierschützer machen jährlich gegen das Gänsereiten in Bochum mobil. Diese Jahr bedienen sie sich eines prominenten Tierschutzanwalts

Schon Kinder werden vor Karneval an die Tradition des Gänsekopfreißens herangeführt

VON ELMAR KOK

Dieses Jahr sollen die Gänsereiter, die in Bochum jedes Jahr zur Karnevalszeit einer toten Gans vom Pferd aus den Kopf abreißen, mal strafrechtlich verfolgt werden.

Das wünschen sich jedenfalls die Unterstützer der „Anzeige gegen das Gänsereiten“, das Bochumer Friedensplenum, die Landesarbeitsgemeinschaft der Grünen für Tierrechte, Frauen für den Frieden in der ev. Kirche, freiraum Bochum e.V. und der Kinderschutzbund Bochum sowie diverse Privatpersonen. „Diese Jahr sollte es klappen“, sagt Aktionssprecherin Traudl Helfrich, denn die Argumentation der Staatsanwaltschaft aus den Vorjahren, eine Anzeige brauche ein bestimmtes öffentliches Interesse, um verfolgt zu werden, ziehe nicht mehr. Durch die Dokumentation der Unterstützer sei dieses Kriterium erfüllt. Dass es nicht schon im letzten Jahr nicht mit der Verfolgung der Gänsereiter geklappt habe, habe an der schlechten Formulierung der letztjährigen Anzeige gelegen, sagt Helfrich.

So konnten die beiden Bochumer Gänsereit-Vereine zur Karnevalszeit im letzen Jahr ungestraft eine tote Gans mit den Füßen an einem quergespannten Seil aufhängen und ihr den Hals einseifen. Der erste Reiter der es schaffte, der Gans den Hals abzureißen, wurde zum Gänsereiterkönig gekürt. Die Traditionalisten unter den Vereinsmitgliedern behaupten, die Karnevalsveranstaltung ginge auf das Jahr 1598 zurück. Im spanisch-holländischen Krieg hätten Spanische Soldaten in Wattenscheid ihre Reiterspiele geübt.

Dass die halslose Gans nach den Reiterspielen gegessen wird, wollen die Tierrechtler nicht als juristisch relevante Ausrede für die Veranstaltung gelten lassen. So schreibt Anwalt Eisenhart von Loeper, bekannter Tierrechtler, der auch Kommentator zum Tierschutzgesetz ist, an die Staatsanwaltschaft: „Im vorliegenden Fall ist ist der Grund der Tötung nicht der Verzehr der Tiere.“ Die sei höchsten Nebenfolge. Zudem sei der Schutz des Brauchtums durch die Aufnahme des Tierschutzes ins Grundgesetz nicht relevant, schreibt von Loeper.

Helfrich will sogar von einem Gänsereiter erfahren haben, dass die eingeseifte, zerrissene Gans gar nicht gegessen werde, den Namen des Informanten kann sie aber nicht nennen. Dem werde doch der Kopf abgerissen, sagt Helfrich. Es müsse endlich damit aufhören, dass den Menschen schon von klein auf beigebracht werde, dass dieses blutige Spektakel Spaß mache, sagt Helfrich: „Am Sonntag vorher werden doch schon die Kinder an das Gänsereiten herangeführt.“

Die Bochumer Staatsanwaltschaft hat den Brief von Anwalt von Loeper an das Ordnungsamt weitergegeben. Der Pressedezernent der Bochumer Strafverfolger, Oberstaatsanwalt Wolfgang Dörsch, sagt, bei dem Brief handele es sich um keine Anzeige. Schließlich könne nicht gegen etwas ermittelt werden, was noch gar nicht stattgefunden habe. „Wir haben nur eine Anfrage bezüglich des Gänsereitens erhalten“, sagt Dörsch. Die Staatsanwaltschaft sei gefragt worden, wie sie die Gänsereiterei beurteile. Ob es zur Strafverfolgung nach Karneval kommen werde? „So richtig große Chancen räume ich der ganzen Sache nicht ein“, sagt der Presseanwalt. Dass es sich beim Schreiben ihres Anwalts nicht um eine Anzeige handele, will Helfrich nicht glauben. Schließlich gebe es es doch sogar mehrere Anzeigen von verschiedenen Personen, sagt sie: „Und wir haben ein Aktenzeichen.“