müllskandal : Die alte Masche zieht nicht mehr
Wenn man wenig sagt, bekommen einzelne Worte Gewicht. So war es auch bei Lothar Ruschmeier, der mit knappen Antworten und ausschweifenden Erinnerungslücken den Kölner Müllskandal klein reden wollte. „Das ist eben meine Wahrheit!“, rief er dem Richter gegen Ende seiner Aussagen in der letzten Woche zu. Und das ärgerte den Richter so sehr, dass er eine Razzia bei Ruschmeier veranlasste.
KOMMENTAR VON FRANK ÜBERALL
Die Zeit als Oberstadtdirektor, die der Machtmensch erst vor sechs Jahren abschloss, will er plötzlich vergessen haben. Erst recht mag er nicht in den Korruptionssumpf um die Müllverbrennungsanlage (MVA) gezogen werden. Menschlich durchaus nachvollziehbar. Diesmal aber haben seine Winkelzüge nicht gefruchtet. „Sie sind doch Jurist?“, hat der Richter den Ex-Verwaltungschef während des Verhörs mal gefragt. Er konnte nicht glauben, dass sich Ruschmeier um die rechtlichen Fragen eines der größten Bauprojekte seiner Amtszeit nicht geschert hat.
Erinnern wir uns: Ruschmeier war es, der sich vor dem Stadtrat mit Vehemenz für die MVA ins Zeug gelegt hatte. Kritiker bügelte er mit Hinweisen auf angeblich hohe Schadenersatzforderungen ab. Er könne das beurteilen, schließlich sei er Jurist, hieß es damals im Rathaus.
All das ist für Ruschmeier jetzt graue Vergangenheit. Gerade dieser Politstratege, der nichts dem Zufall überließ und sich selbst um kleinste Details fürsorglich kümmerte, will plötzlich mit bedauerlicher Senilität zu kämpfen haben. Gegenüber Journalisten war das Ruschmeier bisher stets gelungen. Zu seiner Rolle im Mülldickicht wollte er meist nur noch über seinen Anwalt schriftlich Auskunft geben lassen. Oder besser: den Unwissenden mimen lassen. Anschuldigungen wurden barsch und wortkarg zurück gewiesen. Ruschmeier fühlte sich unangreifbar, duldete keinen Widerspruch. Selbst im Gericht zeigte er sich genervt über die bohrenden Fragen der Kammer. Nun scheint er mit dieser Masche an seine Grenzen zu stoßen. Mit der Durchsuchung, die gestern beim Müllprozess bekannt wurde, hat Richter Baur klar gemacht, wer im Gerichtssaal das Sagen hat.