: Krankenkassen tief im Minus
Gesetzliche Krankenversicherung ächzt unter drei Milliarden Euro Defizit im Jahr 2002. Schuld: Pillenkosten, Arbeitslosigkeit und schwache Einkommensentwicklung. Gesundheitsministerium wagt keine Prognosen mehr für das laufende Jahr
BERLIN rtr/taz ■ Das Defizit der gesetzlichen Krankenkassen ist im Jahr 2002 auf 2,96 Milliarden Euro gestiegen und damit deutlich höher ausgefallen als erwartet. Der Staatssekretär des Bundesgesundheitsministeriums, Klaus Theo Schröder, begründete gestern das Finanzloch vor allem mit den gestiegenen Ausgaben für Arzneimittel sowie den geringen Lohnzuwächsen.
Noch im Dezember hatte Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) gesagt, sie gehe für 2002 von einem Minus von 2,5 Milliarden Euro aus. Bis zum Herbst hatte sie gar behauptet, dass sie auf einen ausgeglichenen Jahresabschluss setze. Insgesamt haben die Kassen nach vorläufigen Berechnungen 139,65 Milliarden Euro eingenommen und 142,61 Milliarden Euro ausgegeben.
Mit fast drei Milliarden Euro lag der Verlust der Kassen auch über dem des Jahres 2001, als die Kassen mit einem Minus von 2,8 Milliarden Euro erstmals seit fünf Jahren wieder ein Defizit verzeichnet hatten. Das bislang größte Finanzloch bei den Krankenkassen hatte mit rund fünf Milliarden Euro im Jahr 1992 geklafft.
Das Sozialministerium wollte nicht ausschließen, dass gesetzliche Versicherte in Deutschland auch in diesem Jahr durch höhere Beiträge belastet werden. Eine entsprechende Frage beantwortete Schröder mit den Worten: „Sicher vorhersagen kann das keiner.“ Zu Beginn des Jahres haben die Durchschnittsbeiträge einen Sprung von rund 14 auf etwa 14,4 Prozent gemacht. Zwar habe die Regierung durch ihre Spargesetze die Kassen um rund 3,5 Milliarden Euro entlastet, sagte Staatssekretär Schröder. Ein weiterer Anstieg der Arbeitslosigkeit könne aber erneut zu höheren Beiträgen führen. Auch für das Kassendefizit dieses Jahres könne keine eindeutige Prognose abgegeben werden.
Die angeblich unerwartet hohe Finanzlücke bei den Kassen geht nach Angaben des Sozialministeriums zu zwei Dritteln auf die gestiegenen Kosten bei den Arzneimitteln zurück. Allein die Ausgaben in diesem Bereich seien um 4,8 Prozent angestiegen. Auch die Kosten für so genannten Heilmittel wie zum Beispiel Massagen und Bäder seien um 15,4 Prozent angestiegen. Negativ auf die Einnahmen der Kassen hätten sich die geringen Lohnzuwächse im vergangenen Jahr ausgewirkt: Die beitragspflichtigen Einkommen seien 2002 nur um 0,5 Prozent gestiegen.
Ungeachtet des hohen Defizits werde den Kassen durch die von der Bundesregierung bereits verabschiedeten Sparmaßnahmen eine finanzielle Atempause verschafft, um die Weichen für die Reform des Gesundheitssystems zu stellen, erklärte Staatssekretär Schröder.
Das Gesundheitsministerium will im Mai einen Gesetzentwurf für eine umfassende Gesundheitsreform vorstellen. Schmidt hat bereits angekündigt, dass mit der Neuregelung der Beitragssatz auf deutlich unter 13 Prozent gesenkt werden soll. Voraussichtlich werden Teile der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung dann ausgegliedert und teils steuerfinanziert, teils privatversichert werden müssen. Im Gespräch sind vor allem Unfälle und ihre Folgekosten. UWI