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Archiv-Artikel

Die Fassade der Zuversicht

Die USA und Großbritannien wissen schon, dass sie im Sicherheitsrat keine Mehrheit für ihre Kriegsresolution bekommen werden – und lenken jetzt ein

„Sie werden verlieren,Herr Präsident, sie werden schwer verlieren“, sagte Powell zu Bush

aus Genf ANDREAS ZUMACH

Gestern wurde bekannt, dass Großbritannien bereit ist, den letzte Woche gemeinsam mit Spanien und den USA vorgelegten Entwurf für eine Irak-Kriegsresolution zu korrigieren. Dies ist Teil der intensiven Kompromisssuche zwischen den Mitgliedern des UNO-Sicherheitsrates (taz berichtete am Mittwoch). Ausgelöst wurde diese Bereitschaft durch die Erkenntnis, dass der bisherige Resolutionsentwurf trotz des massiven Drucks der USA auf andere Mitglieder des Rates die für seine Annahme erforderlichen neun Jastimmen nicht erhalten würde. Die Gewissheit, dieses Ziel zu erreichen, die US-Außenminister Colin Powell, Präsidentensprecher Ari Fleischer und andere Mitglieder der Bush-Administration noch am Mittwoch öffentlich demonstriert hatten, war reine Fassade.

Bereits am Montag hatte Powell Bush mitgeteilt, die Abstimmung im Sicherheitsrat sei nicht zu gewinnen. „Sie werden verlieren, Herr Präsident, Sie werden schwer verlieren und die Vereinigten Staaten werden auf der Weltbühne gedemütigt“, erklärte der Außenminister dem Präsidenten nach Informationen der taz aus US-Regierungskreisen. Powell vertrat bei dem Gespräch mit Bush die Einschätzung, die Entscheidung des türkischen Parlaments gegen eine Stationierung US-amerikanischer Truppen habe die Chancen auf eine Mehrheit im Sicherheitsrat für die Kriegsresolution zerstört. Die Ratsmitglieder hätten „die Debatte in der Türkei genau verfolgt“, erklärte Powell. Eine Zustimmung des Parlaments hätte „dazu beitragen können, dass wir die erforderlichen Jastimmen für den Resolutionsentwurf zusammenbekommen“.

Diesem Ziel dient der Korrekturvorschlag, den Großbritannien in enger Abstimmung mit den USA entwickelt. Der bisherige Entwurf läuft auf eine Ermächtigung zu militärischen Maßnahmen ab dem Datum seiner Verabschiedung im Sicherheitsrat hinaus. In dem bereits Anfang Februar zwischen Bush und Blair vereinbarten Zeitplan war als letzter Termin für eine Abstimmung im Sicherheitsrat der 13. März vorgesehen. Nach Angaben britischer Diplomaten soll der ansonsten unveränderte Entwurf jetzt einen Zusatz erhalten (oder aber durch eine im Rat einvernehmlich vereinbarte Erklärung des Ratspräsidenten ergänzt werden). Darin würde Saddam Hussein eine „allerletzte, sehr kurze Frist“ gesetzt, sämtliche Abrüstungsauflagen der Resolution 1441 vom November 2002 zu erfüllen. Die Frist werde „eher in Tagen als in Wochen bemessen“. Mit einer Abstimmung rechnet London jetzt „binnen ein oder zwei Wochen“, erklärte der stellvertretende Außenminister Mike O’Brien am Mittwochabend.

Dieser neue britisch-amerikanische Zeitplan liefe auf eine Verlängerung der UNO-Inspektionen bis maximal Ende März hinaus mit der Option auf einen Kriegsbeginn ab spätestens Anfang April. Doch auch für einen derart retouschierten Entwurf einer Kriegsresolution dürften Washington und London im Sicherheitsrat kaum die erforderliche Mehrheit zusammenbringen. Selbst wenn der neue Entwurf wider Erwarten die Zustimmung von neun Ratsstaaten erhalten sollte, dürfte seine Annahme durch das Veto ständiger Mitglieder verhindert werden. Frankreich, Russland und China vereinbarten am Mittwoch, dass sie von ihrem Vetorecht nur gemeinsam Gebrauch machen werden. Mit dieser Verabredung wollen die drei ständigen Mitglieder der Strategie Washingtons entgegenwirken, sie in der Irakfrage auseinander zu dividieren. China erklärte am Donnerstag seine „volle Unterstützung“ für die am Vortag in Paris verabschiedete gemeinsame Erklärung der Außenminister Frankreichs, Deutschlands und Russlands. Angesicht dieser Positionen dürfte auch der korrigierte Entwurf einer Kriegsresolution, der möglicherweise bereits auf der heutigen Sitzung des Sicherheitsrates offiziell eingebracht wird, letztlich nie zur Abstimmung kommen. Stattdessen wird der korrigierte Entwurf wahrscheinlich als Grundlage weiterer Verhandlungen dienen. Dabei dürfte in erster Linie um eine Verlängerung der Frist für die UNO-Inspektionen gefeilscht werden. Frankreich, Deutschland und Russland hatten in ihrem letzte Woche eingebrachten Memorandum die Intensivierung der Inspektionen und ihre Fortsetzung bis mindestens 1. Juli gefordert, um so der „friedlichen Entwaffnung“ Iraks noch eine Chance zu geben.

UNO-Chefinspekteur Hans Blix wird auf der heutigen Sitzung des Sicherheitsrates voraussichtlich einen detaillierten Zeitplan für intensivierte Inspektionen mit Zwischenfristen für konkrete Abrüstungsschritte Bagdads vorlegen. Parallel zu dem Vorschlag für eine Korrektur ihres Resolutionsentwurfes und ihrer Teilnahme an Sondierungen über ein Kompromisspaket, das doch noch ein geschlossenes Vorgehen des Sicherheitsrates ermöglichen könnte, bekräftigten die Regierungen in Washington und London gestern erneut ihre Entschlossenheit, den Krieg gegen Irak notfalls auch ohne eine zweite UNO-Resolution zu führen. Die Vorbereitungen für einen Krieg im Rahmen des ursprünglich zwischen Bush und Blair verabredeten Zeitplans – also ab 13./14 März – werden vorangetrieben.

Nach Berichten mehrerer britischer Medien wurde den in der Golfregion stationierten britischen Truppen der 17. März als frühester Termin für eine Invasion Iraks genannt. Der Invasion vorausgehen würde nach diesen Berichten „ein kurzer und heftiger Luftangriff ab der Nacht vom 13. auf den 14. März“. Das britische Verteidigungsministerium lehnte jegliche Stellungnahme ab. In London wie in Washington offiziell bestätigt wurden allerdings Berichte, wonach die britischen und die US-amerikanischen Luftstreitkräfte in der Golfregion angewiesen wurden, ihre „Kontrollflüge“ über den beiden „Flugverbotszonen“ im Irak zu verdoppeln. Im Rahmen dieser „Kontrollflüge“ greifen die Luftstreitkräfte inzwischen fast täglich irakische Bodenziele an. Die jetzt angeordnete Verdoppelung der „Kontrollflüge“ soll einen gleitenden Übergang in den Luftkrieg ermöglichen und Bagdads Unsicherheit über den Zeitpunkt des Kriegsbeginns erhöhen.