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Archiv-Artikel

Schmeckt nachhaltig

Der kluge Konsument – wenn es ihn tatsächlich irgendwo gibt, dann doch wohl hier, auf der Ernährungsmesse „Die Grüne Woche“ in Berlin. Unsere Autorin hat sich auf die Suche gemacht

VON SUSANNE LANG

Abraham, der Schinkenspezialist. Wenn Klaus Köpper den Kopf jetzt hebt, blickt er geradeaus ins Paradies. Zarte Fettadern schlängeln sich unter mattgelbem Licht durch die Keulenkrusten. Eine dicht an der anderen. Eng an der Rückwand des Imbisswagens: rot-braun geräucherte Schinkenkeulen. Das Top-Angebot für 9 Euro 90: der Fünfer-Pack. Probieren Sie, jetzt! Klaus Köpper schlürft Kaffee, den rauchigen Geschmack des Schinkens noch im Gaumen. Eine Portion davon hat sich der Kleingärtner aus Schöna genehmigt. Vor dem Besuch der Blumenhalle. Die Grüne Woche – sein erstes Mal. „Kluger Konsum?“ Köpper lächelt, schiebt die Brille in seine grauen Haare. Die Frage verschüchtert ihn. „Vielleicht bewusster essen?“, antwortet er. „Nicht mehr so fettig.“ Geschmack und Vielfalt durch innovative Kartoffelzüchtung. Die Milchstraße: Butter, Käse und Co. Das Paradies im Blick, nickt Köpper und sagt: „Das möchte ich bei mir noch verbessern.“ Ein Anfang. Der kluge Konsum bahnt sich seinen Weg. Begleitet von Dudelsackpfeifen und Grillwolken von nebenan. Englische Toffees. Gourmet Dips. American Milkshake, Pinacolada, auch take away. Der Top-Apfelzerteiler. Freche Früchtchen. Kurfürstensekt. Kilkenny, irish beer.

„Ökologie ist auch Streben nach Lust.“ (D. Simonnet)

Bernd Funk lächelt. Beige Schaumblasen perlen an seiner Oberlippe. Kilkenny, irish beer. „Kluger Konsum?“ Funk seufzt. „Konsum“, sagt er dann, „der gehört doch dazu.“ Seine Frau Ramona, die neben ihm steht, nickt und zupft an seinem roten Anorak. „Auf die Gesundheit müssen wa achten, wa!“, sagt sie neckisch. Kluger Konsum – davon merkt der Einzelhandelsfachmann Funk aus Rathenow in seinem Supermarkt-Alltag bei „Kaufland“ wenig. „Den Kunden wird sehr viel vorgegaukelt, damit sie kaufen.“ Konsum-Anschub. „Der Kunde will betrogen werden.“ Nordzucker Actionscafé: Schwarzwälderkirsch- und Käsesahnetorte. American Burger, die Chilli-Version brutzelt. Tropical Drinks. Salzbrezeln in Glasschalen. Jack Daniels. Thüringer Rostbratwurst. Der kluge Konsum gibt trotzdem nicht auf. Vorerst.

„Der Zweck aller Produktion ist der Konsum.“ (Adam Smith)

Kater Krümels Bauernhof. Jens weiß alles. Der sechsjährige Blondschopf war im Sommer auf einem Bauernhof. Er weiß, dass die Kühe auf dem kreisförmigen Puzzle vor ihm Klee fressen. Dass der Klee rosa Blüten hat. Dass das Gerät neben den aufgemalten Kühen Mähdrescher heißt. Er hat einen auf dem Bauernhof gesehen – in echt. „Und in dem Glas dort, das ist Weizen“, sagt er. Die Betreuerin in „Kater Krümels Bauernhof“, einer Spielecke vom Bundesprogramm „Ökologischer Landbau“, zeigt Jens’ Schulklasse gerade Getreidesorten, abgefüllt in Einmachgläsern. Ein kleiner Konsument ist also schon sehr klug. Zur Halbzeit der zehntägigen Leistungsschau der Agrar- und Ernährungswirtschaft bilanzierten die Veranstalter ein ungebrochenes Publikumsinteresse und gute Umsätze. Am späten Nachmittag wurde der 200.000. Gast erwartet.

Talking Food. Bianca Damroses Glück kam schnell. Nur kurz hat sie unter den gelben und roten Fähnchen warten müssen. Die automatische Zeituhr der Pommes-Fritteuse fiept. Einmal. Noch einmal. Die Kassenlade schnallt mit einem lauten „Klack“ zurück. „Cheeseburger?“, fragt die blonde Verkäuferin hinter der Wagentheke. Bianca nimmt die Pappschachtel entgegen, packt aus, isst und geht weiter. McDonald’s bleibt McDonald’s. Überall. Nur in der Jugendevent-Halle der Grünen Woche – Motto „Talking Food“, Informieren über gesunde Ernährung“ – lächelt der Mc-Clown von einer Andechser Biomilch-Packung. Das essbare Glück kommt schnell und ist eigentlich nicht der Rede wert. „Es ist billig“, sagt Bianca. „Und so für schnell mal zwischendurch schon okay.“ Kluger Konsum? Gesunde Ernährung? Bianca grinst. Na klar, das sind Kartoffeln, auf jeden Fall, mit Soße und Fleisch. „Alles zusammen auf einem Teller“, erklärt sie und überlegt. „Gemüse vielleicht auch noch dazu – wegen der Vitamine.“ „Jugend is(s)t aufgeklärt!“ Sehen Sie hier: Kuh Anika, gutes Fleischbenutzervermögen, gutes Kalbeverhalten. Lecker & Co, Hamburger 1 Euro 20, Salate & Co Gartensalat 1 Euro 80. McDonald’s übernimmt gesellschaftliche Verantwortung. Hätten Sie es gewusst: Rindfleisch – Qualität und Vielfalt. Besuchen Sie unser Wellnesscafé! Der kluge Konsum hat irgendwie ein Problem: Alle kennen ihn. Aber alle leben auf ihre Art nur eines: die Lust am Konsum. Die Fitnessräder in der Eventhalle surren. Vom Popsender Viva gesponsert tobt auf der Event-Bühne der „Geschlechterkampf“: Rad fahren, Mädchen gegen Jungs. Und nebenan wirbt die Luftwaffe mit Flugsimulatoren und einer Kletterwand für Nachwuchs.

„Kluger Konsum lässt Nachhaltigkeitskriterien wie Menschenrechte, Umwelt- und Tierschutz in die Kaufentscheidung einfließen. Er ist eine Form von sozialem Engagement.“ (Renate Künast)