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Archiv-Artikel

Zwei Ehrungen für Rooney

Am kommenden Samstag kommt Ralph Giordano zur Ehrung des Germanisten Rooney nach Bremen. Die Villa Ichon lädt zu einer Diskussion am 29. März ein

Von kawe

taz ■ Martin Rooney ist ein streitbarer Pazifist. Zu seinem Lebenswerk gehört der Kampf gegen die beharrliche Verdrängung des Genozids am armenischen Volk. „Und er hat dem literarischen Leben internationale Akzente verliehen: durch die Präsentation des Werks von Jorge Semprún, der Romane von George Orwell, John le Carré und David Lodge.“ So steht es in der Begründung für die Verleihung des Friedenspreises der Villa Ichon. Die Preisverleihung am Samstag wurde abgesagt – nicht weil sich Rooney diese Verdienste nicht erworben hätte, sondern weil seine Meinung zum aktuellen Irak-Konflikt einer knappen Mehrheit von 3:2 des Vorstandes der Villa Ichon nicht angemessen erscheint.

Nun wird es zwei Gelegenheiten geben, über den Vorgang und die Sache zu diskutieren: Am kommenden Samstag, den 15. März, haben Privatpersonen (darunter die Grünen Bürgerschaftsabgeodneten Helga Trüpel und Hermann Kuhn sowie der Böll-Stiftungs-Geschäftsführer Peter Rüdel) zu einer „alternativen“ Feier eingeladen. Ralph Giordano wird da sein, den der Streit um die Menschenrechte schon seit Jahren mit Rooney verbindet und dessen „Grußwort“ für die abgesagte Preisverleihung im Internet steht (http://www.els.gesellschaft.wtal.de).

Für Ende März lädt der Vorstand der Villa Ichon zu einer Diskussion ein. Dies ist ein Tribut an den Dramaturgen Uli Fuchs und an Luise Scherf, die im Vorstand der Villa Ichon in der Minderheit geblieben waren. Sie hielten die Kritik Rooneys am aktuellen Friedensdiskurs, den er in einem taz-Leserbrief geäußert hatte, für „undifferenziert“ und „nicht gelungen“, doch den Preis sollte Ronney auch nicht dafür bekommen, sondern für sein Jahrzehnte währendes Engagement.

Nie hat Rooney locker gelassen, den Genozid an den Armeniern im Jahre 1915 zu thematisieren – ein auch in Deutschland nicht immer einfaches Thema. Der systematische Mord an den Armeniern ist historisch ein „Vorereignis“ zum Mord an den Juden. Das deutsche Reich war 1915 immer aktuell bestens informiert, hat aber damals aus Rücksicht auf den jungtürkischen Bündnispartner geschwiegen. Die Nationalsozialisten bezogen sich bei ihren Planungen für den Völkermord an den europäischen Juden auf die „Lösung der armenischen Frage“. Rooney hat nicht nachgelassen, darüber zu reden, und er hat den Wuppertaler Journalisten Armin T. Wegner dem Vergessen entrissen, der sich während des Ersten Weltkriegs als Sanitäter in der deutschen Armee in Anatolien aufhielt und mit Fotos und Artikeln den Völkermord an den Armeniern dokumentierte.

Wie weit das Schweigen aus Opportunismus geht, zeigt die Äußerung des türkisch-deutschen Grünen Bundestagsabgeordneten Cem Özdemir, der eine Geißelung wegen des Massakers an den Armeniern ablehnte mit der Begründung, die „Verurteilung der Türkei wäre nicht hilfreich“. Dabei geht es um die aktuelle Frage, ob die Türkei vor ihrem EU-Beitritt über die dunklen Kapitel ihrer Vergangenheit wenigstens eine freie Meinungsäußerung erlauben soll. kawe