armut in mitte
: Scheinheilige Diskussionen

Eigentlich hätte es keiner neuen Studie mehr bedurft. Man wusste es vorher. Mitte, das heißt in diesem Fall Neu-Mitte, birgt sozialen Sprengstoff. Der Weddinger ist arm, und daran wird sich so schnell nichts ändern. Vor allem dann nicht, wenn der Weddinger keinen deutschen Pass hat.

Kommentar von UWE RADA

Interessant ist allerdings, in welchem Fahrwasser dieser alte Hut derzeit schwimmt. Da ist zum einen die Aufgeregtheit, mit der auf die Nachrichten des Innensenators von den „neuen“ Berliner Problemquartieren reagiert wird. Plötzlich redet ganz Berlin über die Spandauer Ausländerviertel oder die arabischen Jugendlichen in Tiergarten. Dabei ist schon vor sieben Jahren ein Gutachten über „soziale Problemgebiete“ zu ähnlichen Ergebnissen gekommen. Nicht die Existenz solcher „Ghettos“ müsste demnach erschrecken, sondern die Frage, warum sie immer noch bestehen.

Damit sind wir schon mitten drin in der zweiten Scheinheiligkeit – der Elitendiskussion. Nur weil ein Arbeiterkind, das es zum Kanzler gebracht hat, den Mund aufmacht, plappern nun alle nach, auch in Berlin. Doch worin besteht das Problem? Dass es zu wenig Hochbegabte an den Unis gibt? Oder vielmehr darin, wie wenige es überhaupt bis an die Unis schaffen?

Auch da sind wir wieder mitten in den Problemgebieten. Wer kein Geld in Kitas steckt, muss sich auch nicht wundern, dass es mehr Bildungsverlierer als Eliten gibt. Der Einzige, der dies derzeit thematisiert, ist CDU-Landeschef und Mitte-Bürgermeister Joachim Zeller, der fordert, bedürftigen Ausländerfamilien in seinem Bezirk die Kitagebühren zu erlassen.

Dass die Scheinheiligkeiten der Diskussion aufgebrochen werden könnten, ist also nicht in Sicht. Man hat sich vielmehr gewöhnt an die „Ghettos“. Wohnt ja auch keiner mehr da von denen, die sich sonst aufregen. Und von außen betrachtet: Ist es da nicht schauerlich großstädtisch? Glanz und Elend so nah beieinander, und das in Mitte? Gehört das nicht irgendwie dazu, zu einer richtigen Metropole?