Don_Vito1 antwortet nicht

Bei der Auktionsplattform eBay häufen sich die Betrugsfälle. Vor allem professionelle Anbieter arbeiten mit Tricks am Rande der Legalität und sorgen für miese Stimmung unter den Bietern

VON NIKLAUS HABLÜTZEL

Bis zum November des letzten Jahres hat Don_Vito1 nur gute Noten bekommen. 192-mal hat er in den letzten sechs Monaten als Verkäufer oder als Käufer an einer eBay-Versteigerung teilgenommen. „Top eBayer, Blitzüberweisung, sehr zuverlässig, gerne wieder, besten Dank“, hat ihm noch am 10. November „zonki99“ bescheinigt, der selber schon 453 Auktionen hinter sich hat.

Seit Neujahr ist Don_Vitos guter Ruf dahin. Im Nutzerforum für Sicherheitsfragen schreibt „schroedi666“: „Ich krieg noch die Krise!“ Er hat bei bei Don_Vito1 15 Langspielplatten ersteigert, das Geld überwiesen, seither aber nichts mehr von ihm gehört. Keine Ware keine Mail, kein Telefonkontakt, nichts. „Ich glaub, der Verkäufer ist tot“, schreibt „schroedi66“ und fragt, was er tun soll.

Zur Polizei gehen? Tatsächlich hagelt es seit spätestens seit dem 27. November nur noch Beschwerden. 34 stehen inzwischen auf dem Bewertungskonto von Don_Vito1. „Scheißkerl“ ist noch einer der freundlicheren Ausdrücke für ihn. Mag sein, dass er nur ein privates Problem hat. Ganz sicher aber hat eBay ein Problem. Ein öffentliches. Am Montag hat das sächsische Landeskriminalamt mitgeteilt, dass die Betrugsfälle bei der Online-Auktionsplattform enorm zugenommen haben, von 28 Fällen im Jahr 2000 auf 2.300 Fälle im letzten Jahr.

Mit der ebenfalls gewachsenen Zahl der Transaktionen lässt sich dieser Zuwachs nicht erklären. Er beweist, dass die Sicherungen versagen, die eBay gegen den Missbrauch seiner Dienste eingerichtet hat. Sie dienen vorwiegend dazu, die Plattform selbst vor möglichen Haftungsansprüchen zu schützen. Geprellte Käufer können nur unter eingeschränkten Bedingungen einen Schadensersatz von höchstens 175 Euro geltend machen. Zwar bietet die Firma „illoxx“ im Auftrag von eBay an, die Transaktionen zwischen den Handelspartnern über ein Treuhandkonto abzuwickeln. Aber die Zusatzkosten lohnen sich nur bei hohen Beträgen. Ebenso abschreckend wirken die Gebühren der Post für Nachnahmesendungen. Zudem wird diese im Versandhandel sonst übliche Zahlungsart von sehr vielen Anbietern bei eBay nicht akzeptiert.

Daher haben Betrüger ein leichtes Spiel, und die Nachricht aus Dresden hat umgehend eine Debatte im Forum der eBayer ausgelöst, deren Ergebnis einer so zusammenfasst: „Bei Gierbay hat Marketing auf jeden Fall Vorrang vor Sicherheit.“ Er hat Recht. Noch immer sind auf der Website zwar die neun Grundsätze von 1995 nachzulesen: „Wir glauben, dass die Menschen gut sind“, lautet der erste, der siebte: „Wir bauen eine neue Welt und eine Gemeinschaft im Internet.“ Doch längst ist eBay kein bloßer Flohmarkt wohlmeinender privater Anbieter und Käufer mehr. Heute dominieren professionelle Versandhändler. Sie treten als „Powerseller“ oder Inhaber von „eBay-Shops“ auf und bieten größere Partien von Artikeln gleich zu festen Preisen an – beschönigend als „Sofort-Kaufen“-Option deklariert. Auf einer Auktionsplattform haben sie nichts zu suchen. Tatsächlich nutzen sie nur das Marketing von eBay und sorgen dort für Einnahmen, die allein mit privaten Kleinanbietern niemals zu erzielen wären. Im letzten Quartal stieg der Nettogewinn des Gesamtunternehmens auf 142,5 Millionen Dollar.

Die Flut von Diskussionen frustrierter, geprellter Kunden in den eigenen Foren sollte die Aktionäre aber noch mehr warnen als Untersuchungen der sächsischen Polizei. Die Stimmung bei eBay selbst ist schlecht. Offensichtliche Betrüger wird es immer geben, und sie können leicht der Polizei überstellt werden. Weit mehr Ärger aber machen die zahllosen professionellen Schlaumeier, die mit allen möglichen Tricks am Rande der Legalität, mit unseriösen Versandkosten etwa, mit Scheinangeboten, manipulierten Preisen und Nebengeschäften nach Abschluss des Handels, den Spaß am Bieten gründlich verderben.

Ob Don_Vito1 wirklich ein Schurke ist, wird sich herausstellen. Dass man ihm das heute jederzeit zutraut, obwohl sein Ruf so gut war: das ist das Problem, das eBay zu lösen hat. Der Ruf nach der Polizei allein hilft gar nichts. Die Betreiber der Plattform selbst müssen eine Lösung finden. Wahrscheinlich lassen sich schärfere Kontrollen der Verkäufer nicht vermeiden. Am wenigsten dagegen einzuwenden hätten wohl die alten Hasen, die in den eBay-Foren fachsimpeln. Gerade sie fordern immer lauter ein energischeres und vor allem schnelleres Eingreifen als bisher. Beim Geld hört der Spaß auf. Wenn auf dem Wochenmarkt ständig die Hausfrauen ausgeplündert werden, wäre wahrscheinlich auch niemand damit zufrieden, wenn die Stadtverwaltung darauf verwiese, dass sie die Standmieten einkassiere und die Blumen gieße.