: Ackern für das eigene Glück
Claudia Koppert erzählt in ihrem Debutroman „Allmendpfad“ von einer Frau auf dem süddeutschen Land, die Erfolg hat – weil sie ohne Hysterie tut, was sie für richtig hält
„Jetzt gäihn mer awwer.“ Jetzt gehen wir aber. Wer mit wohl dosierter, feinster Heidelberger Mundart klarkommt, dem eröffnet Claudia Kopperts Roman „Allmendpfad“ Einblicke in einen ländlichen, süddeutschen Mikrokosmos, der von Dickschädeligkeit, Emsigkeit und liebevoller Derbheit lebt und weiterlebt – obwohl doch Ackerbau kaum mehr lohnt und die Hochhauskästen des Heidelberger Klinikums „dem Feld“ stündlich näherrücken. Ein Szenario, das nicht nur im Süden der Republik zu Hause ist.
„Jetzt gäihn mer awwer.“ Kürzer kann sich eine Frau nicht fassen, um dem Mann zu sagen: Das Kind kommt. „Hoffentlich wird‘s ‘n Bu‘, dass der Nome weitergäiht“, hatte es zuvor geheißen. Ein Bub sollte es werden, wegen des Familiennamens.
Stattdessen kommt Luzie zur Welt, als querköpfige Hauptperson einer Geschichte, die am Rande eines Ballungsraumes verortet ist. Luzie führt uns vorbei an den großen Aufgeregtheiten der 70er, 80er und 90er Jahre und vermittelt ihre Sicht der Welt, aus der Perspektive einer Frau, die im letzten Moment begriffen hat, dass sie als Archivarin verrückt würde und also als Kleinbäuerin dahin zurückgeht, wo die Familie schon lange ansässig ist. Aufs Feld. Als gäbe es Menschen, die eine Bestimmung haben.
So eine ist Luzie. Sie kann nicht anders, als ihrem Bauchgefühl von Heimat zu folgen. Auch wenn darin ein Wagnis liegt. Schließlich droht die Mutter gerade unter der Knute der „Idiode in Brissl un‘ Bonn“ verrückt zu werden: Ihre Tomaten darf sie nur pflücken, um sie irgendwo an der badischen Bergstraße in einen Steinbruch zu kippen, von der Europäischen Gemeinschaft subventioniert mit sechs Pfennig pro Pfund. Nur als es hieß, „jeder muss mit seinem Schlepper einmal über den Tomatenberg fahren“ – da haben die Bauern dann doch gestreikt.
Wie nebenbei zeichnet die Koppert die Menschen dieser Region mit kräftigen Strichen und doch mit Respekt. Man muss sie nicht hassen, weil sie eben so sind. So brav und so fleißig und so hilflos dabei. „Mer wer‘n iwwerflissisch wie ‘in Kropf“, ist die Mutter verzweifelt und will lieber nicht wissen, was der „Herrgodd“ von dem ganzen Neuen hält.
Luzie betrifft das nicht. Sie wird groß in einer Zeit, in der die moralischen Koordinaten neu bestimmt werden und Koppert hat ihre Luzie immun gemacht gegen Glauben und Gesellschaftskritik – wie überhaupt gegen jede Mode. Luzie strebt einfach nur nach ihrem Glück. Also ackert sie. Sprichwörtlich.
Nur kurz gestreift von Schlagwörtern wie Imperialismus oder freier Liebe gründet Luzie einen Betrieb und eine Familie und beobachtet vom Feld aus den Wandel in der Rheinebene. Koppert hat mit ihr eine Heldin geschaffen, die ohne jede Hysterie tut, was sie für richtig hält – und damit weit kommt. Eine, mit der man gerne mal Apfelkuchen äße und dabei fragen wollte, ob sie Landwirtschaftsministerin Künast leiden mag oder den französischen Bauernrebellen José Bové. Denn wahrscheinlich würde sie etwas antworten, was wir so noch nie bedacht haben.
Claudia Koppert hat in „Allmendpfad“ ein Stück Regionalgeschichte aktuell und lebendig verdichtet, sie hat einen Roman geschrieben, wie er in der modernen deutschen Literatur selten zu finden ist – auch weil der Dialekt als Sprache der einfachen Leute niemanden denunziert. Ganz im Gegenteil.
Eva Rhode
Claudia Koppert lebt zwischen Bremen und Hamburg auf dem Land. Sie liest aus „Allmendpfad“ (Verlag Antje Kunstmann, 18,90 Euro) am 13.3. in Sottrum in der Buchhandlung van der Pütten, Große Straße 18, und am 18.3. in der Stadtbibliothek Rotenburg, Am Kirchhof 10, jeweils um 20 Uhr