: berliner szenen Keiner guckt hin
Nichts Neues in Mitte
Durch die Menschenmassen in der Ruf-mich-nie-wieder-an-Bar peitscht hysterischer Electrosound. Videokunst und Flaschenbier. Berlin-Mitte illegal. Heute. Ist die wirklich allerletzte Part. So geht das Gerücht. Dann zieht die Party-Karawane weiter. In andere total geheime feuchte Keller. Die Szene ist vollständig angetreten. Sie will zeigen: Ich war von Anfang an dabei.
Mein Begleiter und ich hängen im Sofa, bereit für jede erdenkliche Lästerorgie. Doch wir müssen feststellen: Außer Pumphose und Stiefelette fällt den Damen modetechnisch nichts Neues ein, und der Mitte-Mann hat sich auch schon mal mehr um sein Styling bemüht. Nicht einen Hauch von Glamour gönnt man uns. Ist Mitte die gnadenlose Selbstinszenierung seiner Fashion Victims verloren gegangen? Vielleicht treffen sich die wirklichen Hipster aber auch schon seit Monaten woanders?
Zwei Pumphosen mit Stiefeletten schieben sich ins Blickfeld. Trotz ihrer modischen Einfallslosigkeit scheinen sie noch einen Willen zur Performance zu haben. Die Schwarzhaarige trägt eine Plattenkiste im Arm, die Blonde bewundert überlaut: „Hey, bist du heut Abend Pop, oder was?“ Die Schwarzhaarige kichert und sagt: „Ja, voll Pop.“ Die Blonde wirft die Arme hoch – große Disco-Geste! – und ruft: „Hey, she’s the fucking Queen of Pop!“ Doch niemand beachtet die Stiefeletten und ihre ironische Pop-Konversation, alle unterhalten sich ungestört weiter.
Mit der modischen Überdrehtheit scheint auch das „Ruf mich an! Beachte mich!“ vergangener Party-Nächte passé zu sein. Das neue Motto lautet: „Ruf mich nie wieder an. Aber sprich mit mir!“ Auch nicht schlecht. „Keine Chance den Stiefeletten!“, freut sich mein Begleiter und stürzt sich ins Gewühl. NINA APIN