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Archiv-Artikel

Russischer Kuhhandel für das Klima

US-Umweltexperte mahnt die EU: Nur wenn sie den Russen wirtschaftliche Hilfe gebe, werde Putin das Kioto-Protokoll ratifizieren und die Blockade im internationalen Klimaschutz lösen. Den Russen gehe es vor allem um den WTO-Beitritt

von BARBARA KERNECK

Jonathan Lash, Präsident des renommierten World Resources Institute (WRI), hat Europa in dieser Woche dringend gemahnt, Russland diplomatisch und ökonomisch entgegenzukommen. Nur so sei die UN-Vereinbarung zum Klimaschutz , das Kioto-Protokoll, noch zu retten. „Wenn die Russen dieses Jahr nicht ratifizieren, wird es wahrscheinlich niemals in Kraft treten“, sagte der US-amerikanische Umweltexperte Lash. Europa habe „alle Trümpfe in der Hand.“

Der Amerikaner schlägt einen Kuhhandel vor: Es gehe nicht darum, das Protokoll nachzuverhandeln, sondern Russland an anderer Stelle entgegenzukommen. Dabei denkt Lash vor allem an die Verhandlungen mit Präsident Wladimir Putin über den Eintritt in die Welthandelsorganisation WTO.

120 Staaten haben bislang das Kioto-Protokoll ratifiziert. Die Industrieländer verpflichten sich darin, den Ausstoß von Treibhausgasen, insbesondere von Kohlendioxid, zu begrenzen. Jedem Land fallen dabei Quoten an erlaubter Emission zu. Russland produziert derzeit so wenig davon, dass es viele nicht genutzte Quoten gewinnbringend an andere Länder verkaufen kann.

Der Knackpunkt: Das Kioto-Protokoll tritt erst in Kraft, wenn so viele Staaten unterzeichnet haben, dass sie einen Anteil von 55 Prozent am weltweiten Ausstoß repräsentieren. Weil aber der größte Treibhausgasproduzent, die USA, nicht mitspielen, ist es nötig, dass wenigstens Russland mitzieht. Die bisherigen 120 Unterzeichner stoßen 44,2 Prozent aller Treibhausgase aus. Mit Russland wäre die 55-Prozent-Quote genommen.

Doch Russland hält die Weltgemeinschaft seit Jahren hin. Im Dezember sanken die Hoffnungen auf einen Tiefpunkt, als Präsidentenberater Andrei Illarionow einen russischen Beitritt als unwahrscheinlich bezeichnete. Illarionow gilt als Vater von Putins Plan, Russlands Wirtschaftsleistung in den nächsten zehn Jahren zu verdoppeln.

Dieses Ziel hält er für nicht vereinbar mit Kioto. Die Erfahrung anderer Länder lehre, dass jedes Prozent Wirtschaftswachstum den Kohlendioxidausstoß um zwei Prozent steigere. Seine Beispielländer scheint allerdings nur er selbst zu kennen. Und selbst wenn Russland das Kioto-Protokoll ratifiziert, dürfte es seinen Treibhausgasausstoß bis 2010 noch um fast die Hälfte steigern. Es müsste blindwütig Energie verschleudern, um seine Kioto-Quoten zu überschreiten.

Illarionows Worte sind also ein Schall-und-Rauch-Vorhang, hinter dem sich andere Motive verbergen. Offenbar geht es Russland – ganz wie Lash vermutet – um den Beitritt zur WTO. In Russlands Augen hat die EU sowohl bei der WTO als auch beim Klima zu harsch Druck ausgeübt. So wurde bisher als Voraussetzung zum WTO-Beitritt von Russland gefordert, sein Pipelinesystem international zugänglich zu machen und die Energiepreise im Landesinneren auf westliche Standards zu heben. Wer nur einmal in Russland gewesen ist, weiß, dass seine Industrie und Bevölkerung westliche Energiepreise nicht verkraften können.

Auch sind die Kioto-Regeln für ausländische Investitionen und die Perspektiven des Quotenhandels der russischen Regierung zu komplex und zu undurchsichtig. Der WRI-Präsident Lash regt deshalb an, europäische Investitionsgarantien in den russischen Energiesektor festzuschreiben. Wenn dies nicht reiche, könne man Russland noch ein paar Auslandsschulden erlassen.

Bei den WTO-Runden haben Russlands Außenpolitiker zielstrebig Deal für Deal erzielt, ohne sich um Deklarationen zu scheren. So gab Vizeaußenhandelsminister Medwedkow vor einer Woche bekannt, er rechne nun mit einem Abschluss der WTO-Verhandlungen noch vor Frühlingsende. Einiges spricht dafür, dass nach der Lösung der WTO-Frage auch die Verhandlungen über die Kioto-Ratifizierung wieder in Bewegung kommt. Die Duma-Mehrheit ist nach den letzten Parlamentswahlen allerdings nicht gerade pro westlich gesonnen. Alles steht und fällt daher mit Präsident Putin.