: Kumite und Kata mit Kime
150 Nachwuchssportler kämpfen in Neukölln um Plätze auf der Berliner Rangliste für Karate. Mitten im Gewusel zwei Weltmeister vom Kreuzberger SC Banzai
Wenn man am Samstag das Gewusel in der Halle des Sportparks Neukölln betrachtete, bekam man eine Vorstellung, was Karateverbandspräsident Jürgen Wons meint: „Unsere Ranglistenturniere sind für den Nachwuchs gedacht.“ Der war in Scharen angetreten: Rund 150 Kinder und Jugendliche hatten in vier Altersklassen für das erste große Berliner Karateereignis des Jahres gemeldet. In den Disziplinen Kata und Kumite rangen Karatekas um die Ranglistenplätze. Während beim Kumite Kämpfer gegeneinander antreten, ist das Kata die Kür: Zwei Sportler zeigen nacheinander eine bestimmte Abfolge von Bewegungen und Figuren – der Bessere gewinnt. „Beide Disziplinen ergänzen sich“, erklärt Wons, der selber seit 35 Jahren auf der Matte steht. „Beim Kata lernt man die Grundtechniken, die man dann im Kumite einsetzt.“
Für die erwachsenen Kämpfer war das Ranglistenturnier der letzte Test vor den Berliner Meisterschaften am 28. Februar. Dementsprechend motiviert ging es in Neukölln zu: Rund um die vier Kampfmatten bereiteten sich Menschen in weißen Anzügen und bunten Gürteln auf ihre Wettkämpfe vor: Aufwärmprogramm mit Seilchenspringen hier, Schattenboxen gegen die Hallenwand dort.
Mittendrin tummelten sich zwei Weltmeister: Alexandra Witteborn-Kurtz und Veysel Bugur vom Kreuzberger SC Banzai gelten als Aushängeschilder des hauptstädtischen Karatesports. Am Wochenende begaben sich beide zwar nicht auf die Matte. Doch hatte die eine als Kampfrichterin, der andere als Trainer alle Hände voll zu tun. Bevor die Kata-Sieger ihre Medaillen erhielten, ehrte Präsident Wons Alexandra Witteborn-Kurtz als „herausragende Botschafterin unseres Verbandes“. Für die Karatekämpferin waren die vergangenen 12 Monate nach dem Weltmeisterjahr 2000 die bisher erfolgreichsten ihrer Karriere: Im Mai wurde die 26-Jährige Europameisterin im Kumite in der Gewichtsklasse bis 60 Kilogramm im Einzel und mit der Mannschaft. Bei den deutschen Meisterschaften holte Witteborn-Kurtz wiederum das Einzel und setzte den Titel in der so genannten Allkategorie obendrauf: In der Königsdisziplin treten Kämpfer aller Gewichtsklassen gegeneinander an.
Kein Wunder, dass Jürgen Wons von seiner Vorzeigeathletin schwärmt: „Alexandra hat alles, was man für Karate braucht: Sie ist eine Topsportlerin, dazu ausgeglichen und diszipliniert.“ Damit verkörpert sie den ganzheitlichen Anspruch des Karate. Anders als in Bruce-Lee-Filmen der 80er-Jahre dargestellt, ist Karate mehr eine Philosophie als ein Kampfsport, bei dem Blut fließt und Knochen brechen. Oberstes Ziel ist es, den Gegner nicht zu verletzen. Beim Kumite werden die Kampfbewegungen vor dem Auftreffen abgebremst. „Dazu braucht es Beherrschung und Kime, die Körperspannung“, erklärt Jürgen Wons. Notarzt Dieter Bergemann, der dem Verband seit zwölf Jahren als Turnierarzt zur Seite steht, ergänzt: „Ich habe in der ganzen Zeit nur eine wirklich schwere Verletzung gesehen. Fußball oder Handball sind gefährlicher.“
Die Talentschmiede des Berliner Karates ist ohne Frage der Kreuzberger SC Banzai. Der Club spielt eine integrierende Rolle im multikulturellen Stadtteil: „Bei uns kommen Jugendliche aus den verschiedensten Nationen zusammen“, sagt Veysel Bugur. „Wir bringen den Kindern bei, wie sie sich richtig zu verhalten haben auch neben der Matte.“ Der Senat hat die Nachwuchsarbeit des erfolgreichsten deutschen Karateclubs schon mehrfach ausgezeichnet. Auch in Bugurs Familie hat die Jugendförderung angeschlagen: Seine Tochter Duygu wurde vergangenes Jahr deutsche Meisterin der Schülerinnen unter 15 Jahren.
MARTIN GROPP