: Lotsen aus der Männergewalt
Hamburgs Beratungsstelle für Opfer häuslicher Gewalt feiert offizielle Eröffnung und zieht erste Bilanz. Sozialbehörde sieht „Beratungslücke“ in der Stadt geschlossen. Unterdessen warnen HelferInnen vor weiteren Einschnitten bei Frauenhäusern
von EVA WEIKERT
Wolf-Dieter Scheurell lobt und tadelt zugleich: „Die Einrichtung strahlt Kompetenz aus“, sagt der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete, um sogleich zu bemängeln: „Das Projekt kam sehr schwerfällig in Gang.“ Scheurell meint die Beratungsstelle für Opfer häuslicher Gewalt, die gestern offiziell Eröffnung feierte. Die in Altona ansässige Interventionsstelle berät hauptsächlich Frauen, die von ihrem Partner misshandelt werden. Fast zwei Jahre nach Einführung des Gewaltschutzgesetzes im Bund (siehe Kasten), welches die Schaffung der Beratungsstelle vorschreibt, nahm diese Anfang November ihre Arbeit auf. Jetzt ist die Renovierung der Räume an der Alten Königsstraße abgeschlossen, und die MitarbeiterInnen zogen eine erste Bilanz.
So wertet Leiterin Sabine Voigts vom Träger „Sozialarbeit & Segeln e. V.“ die ersten zwölf Beratungswochen als „Erfolg“. 109 Frauen und fünf Männer suchten seit November bei ihr und den anderen sechs SozialpädagogInnen Hilfe. Die Interventionsstelle soll die Opfer über ihr Recht aufklären, etwa den Auszug des gewalttätigen Partners aus der Wohnung durchzusetzen. Zugleich wird an psycho-soziale Beratungsstellen, Jugendamt oder RechtsanwältInnen vermittelt. Voigts erklärte: „Wir haben eine Lotsenfunktion.“
Ein knappes Drittel der Ratsuchenden stellte bei Gericht einen Antrag auf Zuweisung der Wohnung – für Voigts ein Beleg dafür, „dass Frauen für ihre Rechte kämpfen“. Michael Klahn, Abteilungsleiter in der Sozialbehörde, lobte, der Zulauf zeige, dass die Stelle „eine Beratungslücke in Hamburg schließt“.
Dabei hatte sich Klahns Dienstherrin, Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU), von Opposition und Helfern massive Kritik eingehandelt, weil sich die Etablierung der Stelle immer wieder verzögerte. Zugleich war die Auswahl des Trägers „Sozialarbeit und Segeln“ auf Unverständnis gestoßen. „Die sind in der Szene nicht zu Hause“, hatte etwa GAL-Frauenpolitikerin Verena Lappe in der taz moniert. Dem hielt Klahn gestern entgegen, das Angebot der Interventionsstelle sei „in Hamburg Neuland“. Den ausgewählten Träger qualifiziere seine „Arbeit im Bereich Jugendhilfe und Familie“.
Von der Interventionsstelle erhofft sich die Behörde eine Entlastung der sechs Frauenhäuser, die derzeit mehr Andrang als Plätze haben. Statt die Beratungsstelle aber zusätzlich zu finanzieren, verlangt die Behörde, dass deren Etat von den Frauenhäusern aufgebracht wird. Die müssen dieses Jahr 250.000 Euro einsparen. Gestern bekräftigten Frauenhaus-Vertreterinnen ihre Kritik am Spardiktat.
„Wir finden die Interventionsstelle richtig“, betont Doris Raasch vom 3. Frauenhaus, „nicht aber, dass wir die bezahlen müssen.“ In den Frauenhäusern suchten Opfer Zuflucht, die „stärker bedroht sind“, sagt Raasch. Darum seien Frauenhäuser keine Alternative zu einer Beratungsstelle, sondern deren Ergänzung. So ist die Zahl der Schutzsuchenden seit Inkrafttreten des Gewaltschutzgesetzes konstant geblieben, wie die Helferin argumentierte. Die Interventionsstelle empfehle Opfern, auch im Frauenhaus Schutz zu suchen, so Leiterin Voigts, „wenn der Gewalttäter nach Hause zurückzukommen droht“. Voigts betont: „Unsere Einrichtung und ein Frauenhaus – das sind zwei verschiedene Schuhe.“