Unser Garten gehört uns!

Das Lausitzdorf Horno muss dem Kohlenbergbau weichen. Alle Bewohner siedeln um. Bis auf zwei. Das Ehepaar Domain kämpft gegen die Enteignung – egal wie viel die Firma Vattenfall zahlt

Ursula und Werner Domain werden demnächst die letzten Menschen sein, die noch im Lausitzdorf Horno leben. Der Braunkohlebagger hat schon den Dorfrand erreicht. Das Ehepaar bewirtschaftet einen 2-Morgen-Garten, deswegen will es nicht mit den anderen umziehen – nach Neu-Horno bei Forst – und hat sich auf einen langen Klageweg gegen die Enteignung eingerichtet.

Meine Frau ist 64, ich bin 68. Wir haben keine Kinder, denen wir was vererben müssen. Und was wir zum Leben brauchen, verdienen wir durch unseren Garten dazu. Den kann uns keiner ersetzen – mit noch so viel Geld nicht. Wir gehen also nicht freiwillig. Um uns zu unterstützen, hat sich der Horno-Aktivist Michael Gromm hier noch eingemietet. Wir drei sind jetzt sozusagen die letzten Kämpfer.

Das meiste geht über Klagen mit einem Rechtsanwalt. Daneben verschicke ich noch Postkarten an Politiker und an die Presse, auf denen ich darauf hinweise, dass es dem schwedischen Konzern Vattenfall gar nicht um die Braunkohle unter dem Dorf geht, der Flöz ist da nur zwei Meter dick, sondern um den Lehm, mit dem sie andere Tagebaugruben auffüllen wollen. Deswegen muss Horno weichen. Außerdem könnten sie das Dorf auch umfahren mit ihrem Bagger, das würde keinen einzigen Arbeitsplatz kosten. Es geht denen also nur ums Prinzip.

Als ich das bei der Anhörung in Cottbus vor dem Landesbergamt erzählte, hat der Anwalt von Vattenfall nur gesagt: „Hören Sie mit den Scherzen auf, Herr Domain, sonst ziehen wir andere Saiten auf!“ Zuvor hatte mir der Energiekonzern so viel Geld angeboten, dass ich mir davon drei neue Gärten hätte kaufen können. Ich habe ihnen daraufhin erklärt, dass ich davon nichts habe. Die Bäume im Garten hat bereits mein Großvater gepflanzt. Und neue brauchen mindestens zehn Jahre, um anständig zu tragen – das würden meine Frau und ich wahrscheinlich gar nicht mehr erleben. Außerdem habe ich die zum Teil noch selbst veredelt – die Gravensteiner, Ingrid Marie und Adersleber Kawill … Kurzum: Wir bleiben hier!

Im Moment ist im Garten nicht mehr viel zu tun. Wir haben noch Dill, Petersilie und einige Kilo Bohnen, die wir auf dem Markt verkaufen. Dazu noch Walnüsse, Birnen und Äpfel. Auch die Enten haben wir geschlachtet und unsere zwei Schafe. Deren Fleisch haben wir eingefroren. Hoffentlich behalten wir den Strom: Vattenfall hat bereits gedroht, uns Elektrizität und Wasser abzustellen. Wenn das passiert, mach ich aber Rabatz. Vor einigen Monaten hatten wir bereits den letzten Gottesdienst in Horno. Da war die Spitze vom Kirchturm schon weg – die ist auf die Kirche in Neu-Horno gekommen. Meine Frau war sehr böse: „Was soll das, wir sind doch noch alle hier?!“, hat sie zur Pastorin gesagt.

Als Nächstes haben sie den Friedhof abgesperrt mit einer undurchsichtigen Plastikfolie, um die Gräber umzubetten. Auch dagegen haben wir protestiert. Wir haben doch noch Angehörige dort liegen, deren Gräber wir besuchen und pflegen, außerdem hat meine Mutter, die 1995 gestorben ist, ihr Grab damals für 25 Jahre bezahlt. Und was ist, wenn wir die Enteignung abschmettern und hier bleiben können, aber unsere toten Angehörigen inzwischen nach Neu-Horno verfrachtet wurden?! Das Grab meines Großvaters ist bereits weg! Die Pastorin hat unsere Beschwerde an das Umzugsbüro von Vattenfall weitergereicht, und die haben mir dann geschrieben, dass wir das Grab meiner Eltern weiter nutzen können – „vorläufig“. Was heißt das? Ich hab sofort meinen Anwalt beauftragt, gegen die Absperrung des Friedhofs zu klagen.

Neulich waren wir im Nachbardorf, da hat einer eine Mostpresse. Der macht uns immer aus unseren Äpfeln Saft, mehr als zwei Zentner brauchen wir aber nicht – ist nur für den Eigenbedarf. Da war auch noch eine Regisseurin aus München bei, die macht einen Film über den Untergang von Horno. In der Zeit hat Christoph Dieckmann bereits einen langen Bericht über uns veröffentlicht: „Ein Dorf fährt in die Grube“ hat er ihn genannt. Ein schrecklicher Gedanke. PROTOKOLL: HELMUT HÖGE

Die taz-Serie „Die Agronauten“ fragt: Sind auch Sie bereit fürs Land? Folge 3: Ursula und Werner Domain, Umsiedlungsverweigerer