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Archiv-Artikel

Eisenringe entfernt

Das Anti-Folter-Komitee des Europarats über die Situation in Deutschland: Polizei gefährlicher als Knast. Zusammenarbeit mit den Behörden gut

von CHRISTIAN RATH

Die Delegation des Anti-Folter-Komitees musste warten. Ausgerechnet beim Polizeipräsidium Frankfurt am Main, wo jüngst die Anwendung von Folter zur Rettung eines entführten Kindes geplant wurde, ließ man die Experten des Europarats über eine halbe Stunde lang nicht ins Gebäude. Die Szene spielte sich allerdings im Dezember des Jahres 2000 ab, und niemand unterstellt, dass zu der Zeit im Präsidium gerade gefoltert wurde.

Erwähnt ist der Vorfall im jüngsten Deutschlandbericht des Anti-Folter-Komitees, der in dieser Woche in Straßburg veröffentlicht wurde. Das Komitee besucht in regelmäßigen Abständen Einrichtungen, in denen Menschen gegen ihren Willen festgehalten werden. Ziel ist eine Verbesserung der Haftbedingungen in europäischen Gefängnissen und Polizeiwachen.

Viermal war das Komitee bereits zu solchen Routinebesuchen in Deutschland. Beim letzten Mal wurden insgesamt 18 Einrichtungen besucht, darunter zehn Polizeiwachen, aber nur ein Gefängnis. Offensichtlich werden Gefährdungen heute eher seitens der Polizei vermutet als im Knast.

Überall war die Zusammenarbeit mit dem teilweise unangemeldet erscheinenden Komitee gut bis exzellent, nur eben nicht in Frankfurt, wie der Bericht kritisch anmerkt. In zwei Fälle forderte die 13-köpfige Delegation sofortige Abhilfe. So wurden in der Abteilung für Straftäter des psychiatrischen Krankenhauses Wiesloch (Baden-Württemberg) mehrere Insassen ohne medizinischen Grund in Isolationshaft gehalten. Sie durften monatelang weder lesen noch sich ansonsten betätigen.

Außerdem fand die Delegation in einem „besonderen Verwahrzimmer“ der erst 1998 errichteten Abschiebehaftanstalt Eisenhüttenstadt (Brandenburg) vier im Fußboden eingelassene Eisenringe, mit denen Häftlinge auf dem Bauch liegend an den von sich gestreckten Armen und Beinen angebunden werden konnten. Inzwischen hat Deutschland mitgeteilt, die vier Metallringe seien „umgehend“ entfernt worden.

Der Bericht des Komitees (www.cpt.coe.int) ist insgesamt mehr als 70 Seiten lang und enthält zu allen besuchten Einrichtungen Empfehlungen und die Bitte um weitere Informationen. So wollte das Komitee zum Beispiel wissen, ob gegen Grenzschutzbeamte Ermittlungen aufgenommen wurden, nachdem diese eine Nigerianerin bei einem Abschiebeversuch misshandelt hatten.

Laut Komitee-Bericht wurde die Frau an Händen und Füßen gefesselt und auf einem Stock sitzend ins Flugzeug getragen. Dort wurde sie mit eine schmerzhaften Kopfhaltegriff von den Beamten fixiert. Der Grenzschutz erklärte auf Fragen des Komitees, das Verfahren sei „durchaus üblich“. Bei „afrikanischen Staatsbürgern“ verfehle der Griff teilweise sogar seine Wirkung, „da sie über eine ausgeprägte Unempfindlichkeit gegenüber Schmerzen verfügen“. Inzwischen hat die Bundesregierung mitgeteilt, dass das Strafverfahren gegen die Beamten eingestellt wurde. Die Maßnahmen seien gerechtfertigt gewesen, da die Frau bereits mehrfach Abschiebeversuche durch heftigen Widerstand verhindert und auch einen Beamten in die Hand gebissen hatte.

Die 1989 in Kraft getretene „Konvention zur Verhütung der Folter“ setzt vor allem auf Kooperation. Den Mitgliedsstaaten soll geholfen werden, dass es erst gar nicht zu Menschenrechtsverstößen kommt. Deshalb wird auch gelobt. So entspreche etwa die Ausstattung der Hafträume in Berlin-Tempelhof, Cottbus, Guben und Halle-Neustadt einem „hohen Standard“ – während beim Grenzschutz am Hauptbahnhof Frankfurt am Main noch geronnenes Blut am Boden zu sehen war. Den deutschen Stellen sind solche Hinweise nicht immer lästig. Vor allem wenn kostenträchtige Mängel bereits frühzeitig erkannt wurden, liefert die „Kritik aus Europa“ Argumente im Clinch mit den eigenen Finanzministern.