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Archiv-Artikel

Gut gedacht, schlecht gemacht

von NICK REIMER

„Weltmeister“, „Vorreiter“, „Klassenbester“ – gern und ausgiebig feiert die rot-grüne Bundesregierung ihre Klimapolitik. Damit dürfte jetzt Schluss sein. Ende März wird abgerechnet. Dann nämlich endet die Antragsfrist für die Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK).

Strom und Wärme aus einer Anlage – die so genannten Blockheizkraftwerke – verursachen für eine bestimmte Energiemenge nur halb so viel Kohlendioxid wie normale Kraftwerke (siehe Kasten). Deshalb hat die Politik diese Technologie als bahnbrechend für ihr Klimaziel erkoren. „Einsparungen von möglichst 23, mindestens aber 20 Millionen Tonnen Kohlendioxid“ sollten durch die Förderung der KWK bis 2010 jährlich erzielt werden, erklärte die Bundesregierung im Juli 2001. Die eine Hälfte dieser Menge muss die Industrie einsparen – Grundlage ist eine Selbstverpflichtung. Die andere Hälfte soll das „Gesetz zur Förderung des Ausbaus der Kraft-Wärme-Kopplung“ beisteuern. Dass das Ziel erreichbar ist, zeigt das Beispiel Dänemark: 50 Prozent des dort erzeugten Stroms stammen aus KWK-Anlagen. In Deutschland sind es gerade mal neun Prozent.

Pech für die Kommunen

In dem vor einem Jahr beschlossenen Gesetz heißt es, dass nur gefördert wird, wer „bis zum 1. April 2003“ einen Antrag eingereicht hat. Die nun anstehende Schlussrechnung wird wohl vernichtend ausfallen. „Wir werden nicht 20 Millionen Tonnen Kohlendioxid einsparen, nicht zehn Millionen, sondern allenfalls drei“, prophezeit Adi Golbach. Der muss es wissen: Als Geschäftsführer des Bundesverbandes Kraft-Wärme-Kopplung (B.KWK) hat er die Investitionspläne der Branche bestens im Blick.

Gut gedacht, schlecht gemacht – so könnte man das Urteil zusammenfassen, das die Fachwelt für das rot-grüne Gesetz bereithält. Tatsächlich erhalten die Betreiber von Blockheizkraftwerken heute in den meisten Fällen nicht mehr, sondern weniger Geld für ihren Strom – trotz des Fördergesetzes. Die Folge: Der Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung stockt.

„Für die Stromkonzerne läuft es aber bestens“, erklärt der Frankfurter Energieexperte Professor Klaus Traube. Traditionell nämlich haben die Großen der Energiewirtschaft an Kraft-Wärme-Kopplung überhaupt kein Interesse. Traube: „Das Gegenteil ist der Fall: Wenn eine Kommune oder ein Industriebetrieb Strom und Wärme selbst produzieren, sind sie ja keine Kunden mehr.“ Die Folge: Die großen Energieversorgungsunternehmen mauern.

Zum Beispiel in Ostvorpommern. Dort hatten sich Gemeindevertreter nach zähem Ringen entschlossen, in diesen wirtschaftlich unsicheren Zeiten zu investieren: in zwei kleine KWK-Anlagen. Der regionale Stromverteiler – die Eon-Tochter Edis – prüfte den Antrag einen Monat lang. „Edis behält sich vor, ihre Erzeugeranlagen vom Netz zu trennen, sobald das Netz ausgelastet ist“, heißt es in der Antwort. Das bedeutet: Wenn ihr Kommunalfuzzis Pech habt, bleibt ihr auf eurem Strom sitzen. Und natürlich auf den Investitionskosten. B.KWK-Chef Adi Golbach: „Das ist rechtlich völlig unzulässig.“

Weiter antwortet Edis: „Netzkapazität wird erst nach Vorlage der gültigen Baugenehmigung erteilt.“ Diese aber wird nur bei plausibler Finanzierung erteilt, erklärt Golbach. „Und solange nicht klar ist, ob und wie viel Strom ins Netz gespeist werden darf, kann man natürlich auch keine betriebswirtschaftliche Rechnung vorlegen.“ Ohne die aber gibt es wiederum keine Baugenehmigung.

Täuschen, tarnen, tricksen – die Energieversorger unternehmen alles, um die KWK-Ausbaupläne der Regierung zu unterlaufen. „Eine Stellschraube ist der Strompreis“, urteilt Experte Traube. Dieser sei eben kein ökonomischer, sondern ein politischer. Traubes Beweis: „Kunden zahlen heute wesentlich weniger für Strom, als er in seiner Herstellung kostet.“

Trotzdem streichen die Energiekonzerne satte Gewinne ein: Die Kosten für die Netznutzung – also den Stromtransport – stiegen rapide. Mit schwer wiegenden Folgen für den KWK-Strom: Der muss ja in ein Netz der Stromgiganten eingespeist werden – und dafür muss gezahlt werden. Andererseits ist das Fördersystem für KWK-Strom kein fixes: Für bestehende Anlagen wird der Marktpreis gezahlt plus 1,5 Cent Bonus je Kilowattstunde. Weil der Maktpreis stark gesunken ist, bekommen die meisten Anlagenbetreiber heute weniger Geld für die gleiche Menge Strom als vor dem Gesetz.

Ein zu enger Zeitrahmen

Zum Beispiel Wolfgang Wochenmeier. „Früher bekam ich bis zu 12,8 Pfennig pro Kilowattstunde für meinen KWK-Strom, heute sind es 2,06 Cent“, sagt der Geschäftsführer einer Installationsfirma im oberbayrischen Ebersberg. Zwar bekommen die 15 von ihm installierten Anlagen durch das KWK-Gesetz heute 1,5 Cent Zuschlag je Kilowattstunde. „Das ist aber trotzdem nur noch halb so viel“, so Wochenmeier.

Zudem gibt das Fördergesetz einen Zeitrahmen vor, der in der Praxis kaum umzusetzen ist. „Wir prüfen die Erneuerung eines unserer Kraftwerke“, sagt Wolfgang Jungsch, Bereichsleiter Erzeugung der Energieversorgung Halle. Förderung gibt es nur, wenn der Antrag bis Ende März eingereicht ist. Jungsch: „Deutlich zu wenig Zeit, um alle marktwirtschaftichen Aspekte gründlichst zu prüfen.“ Schließlich gehe es um eine Investition von etwa 50 Millionen Euro. Förderung gibt es zudem nur, wenn das Kraftwerk Ende 2005 auch in Betrieb geht – also etwa zweieinhalb Jahre nach Förderbewilligung. Jungsch: „Für Planung, Bau, Probebetrieb ein sehr enger Zeitplan.“ Und 2010 läuft die Förderung aus. „Kraftwerke rechnen sich aber nicht in Fünfjahresplänen. Kraftwerke amortisieren sich erst nach deutlich größeren Zeitspannen“, so Jungsch. Die Folge: Es sei heute überhaupt nicht klar, ob sein Unternehmen tatsächlich einen KWK-Antrag stellen werde.

Andererseits: Wenn die Kraft-Wärme-Kopplung so effizient ist – warum muss sie dann überhaupt gefördert werden? Und warum entdecken die großen Stromkonzerne diese nicht für sich? „Das hängt mit der Technologie zusammen“, sagt Andreas Naumann, Techniker bei der Berliner Bewag, die fast 90 Prozent ihres Stromes nach dem KWK-Prinzip erzeugt und damit Deutschlands Marktführer ist. Blockheizkraftwerke müssen immer nah an Verbrauchern stehen, die die produzierte Wärme abnehmen – etwa zu Heiz- oder Kühlzwecken. Großkraftwerke aber stehen immer weit weg von den Abnehmern, deshalb ist die Technik für die Stromkonzerne uninteressant. Naumann: „Wie lange eine Anlage läuft, hängt vom jeweiligen Wärmebedarf ab.“ So sei etwa klar, dass im Sommer die Anlagen öfter stillstehen.

Tricks der Stromriesen

Wieder so eine „Stellschraube“, wie Klaus Traube die Mittel nennt, mit denen die Energiekonzerne KWK bekämpfen. „Wenn das Blockheizkraftwerk steht, muss der Betreiber Strom zukaufen.“ Schließlich erwarten die Kunden weiterhin Strom aus der Steckdose. „Für diesen Strom verlangen aber Eon, RWE und Co so viel, dass es oft wirtschaftlich unsinnig wäre, ein Blockheizkraftwerk zu bauen.“ Für Klaus Traube eine Machtfrage. „Wenn eine Kommune sich über ein eigenes Kraftwerk versorgt, verdient die Kommune. Andernfalls die Stromkonzerne.“

Derlei Vorwürfe untermauert Traube mit dem Vergleich von Flensburg und Lübeck, zwei Städten mit annähernd gleicher Struktur und mit Häfen, wo Brennstoff angeliefert werden kann. „Während Flensburg sich zu 100 Prozent aus KWK versorgt, liegt dieser Anteil in Lübeck bei null.“ Dafür gebe es keine objektiven Gründe. „Außer vielleicht einem: Flensburg liegt an der dänischen Grenze und hat einen Stromaustausch mit dänischen Unternehmen vereinbart. In Lübeck haben die deutschen Stromkonzerne erfolgreich gemauert.“

Ursprünglich hatte die Regierung im Juli 2000 beschlossen, Quoten einzuführen. Danach hätte jeder Energieversorger KWK-Anlagen bauen oder – falls nicht – zahlen müssen. Die heute praktizierten Tricks der Stromriesen wären so verhindert worden. Der ehemalige Wirtschaftsminister und frühere Energiekonzernmanager Werner Müller boykottierte das aber, Arm in Arm mit der Industrie. Die nämlich verpflichtete sich selbst, KWK-Anlagen zu bauen. So kam es zu dem jetzigen Gesetz. B.KWK-Chef Golbach: „Rot-Grün hat sich über den Tisch ziehen lassen!“ Der Geburtsfehler des jetzigen Gesetzes sei, dass es keinen Neubau honoriert, sondern nur Ersatz im Zuge der Erneuerung. Traube: „Außerdem wird nur der Strom gefördert, der ins öffentliche Netz eingespeist wird.“ Für Eigenerzeuger, die ihre Anlagen so dimensioniert haben, dass sie fast den gesamten produzierten Strom selbst verbrauchen, sei das Fördergesetz völlig unbrauchbar. Traube: „Aber genau das ist die Zielgruppe.“ Entsprechend groß ist die Kritik aus dem KWK-Lager an der bündnisgrünen Energiepolitikerin Michaele Hustedt: Nachdem die neue Regelung nicht mehr zu umgehen war, habe Hustedt diese schöngeredet.

Dass das Gesetz „von der Energiewirtschaft konterkariert“ wird, ist Michaele Hustedt inzwischen selbst klar. „Das Gesetz wird wohl nur die Hälfte der CO2- Einsparung bringen, die es ursprünglich sollte“, so Hustedt. Deshalb will sie bereits jetzt die eigentlich erst für 2004 festgeschriebene Überprüfung des Gesetzes. „Sinnvoll ist etwa, die KWK-Förderung wie beim Erneuerbare-Energien-Gesetz zu gestalten.“ Heißt: feste Einspeisevergütung, unabhängig vom aktuellen Strompreis. Entsprechende Vorschläge hat Hustedt jetzt bei Wirtschaftsminister Wolfgang Clement eingereicht. Doch selbst wenn es zu einer Änderung der Förderung von KWK kommen sollte, scheint das Klimaziel, 20 Millionen Tonnen Kohlendioxid einzusparen, illusorisch. Das liegt an der Selbstverpflichtung der Industrie, die sie seinerzeit unterschrieb, um die Quotenregelung zu verhindern. Hustedt bilanziert: „Da passiert aber bisher überhaupt nichts.“