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Archiv-Artikel

„Die Werte der Aufklärung fußen auf dem Christentum“, sagt Harald Bretschneider

Menschen aus anderen Kulturkreisen, die in Deutschland leben, müssen die christliche Tradition und Kultur achten

taz: Die sächsische Landesregierung hat ins Schulgesetz den Bezug auf die christliche Religion aufgenommen. Welchen Sinn macht so ein Vorstoß in einem Land, wo nur 25 Prozent der Bürger Kirchensteuer bezahlen?

Harald Bretschneider: Das Gesetz zeigt die Wurzeln der Werte unserer Gesellschaft auf und antwortet auf die vorhandene Wertesuche unter Jugendlichen. Nach Erfurt [Amoklauf eines Schülers] und Meißen [Ermordung einer Lehrerin] ist dies dringend notwendig. Diese Ausbrüche zeigen, wie Menschen sich in schlimmer Weise nicht angenommen fühlen. Sie senden Signale, um auf sich aufmerksam zu machen. Dieses Auf-sich-aufmerksam-Machen ist Ausdruck des Gefühls der eigenen Wertlosigkeit.

Wie soll die Verankerung des Christentums im Schulgesetz dagegen helfen?

Ihren Auftrag zur Wertevermittlung erfüllt die Schule, indem sie den Schülern, anknüpfend an die christliche Tradition des europäischen Kulturkreises, Ehrfurcht vor allem Lebendigen vermittelt, vor der Nächstenliebe, vor Frieden und Erhaltung der Umwelt, vor Heimatliebe, sittlichem und politischem Verantwortungsbewusstsein. Zudem gilt es, die Werte Gerechtigkeit und Achtung vor der Überzeugung des anderen, vor beruflichem Können, vor sozialem Handeln und freiheitlich-demokratischer Haltung zu vermitteln. Denn sie tragen zur Lebensorientierung und zur Persönlichkeitsentwicklung Sinn stiftend bei.

Diese Werte sind doch universell. Freiheitlich-demokratische Haltung ist eher ein Wert der Aufklärung. Warum also der Bezug auf das Christentum?

Diese Werte sind universell. In Europa fußen sie jedoch auf dem Christentum. Auch der Humanismus und die Aufklärung wurzeln in christlicher Tradition.

Die Kritik an Ihrem Vorstoß ist ja vor allem, dass er im Rahmen einer multireligiösen Gesellschaft gegen das Gleichheitsgebot verstößt.

Dieser Vorwurf ist für mich völlig unverständlich. Im Gesetz heißt es, „insbesondere“ anknüpfend an die christliche Tradition. Das „insbesondere“ macht deutlich, dass es auch noch andere Wurzeln gibt.

Aber dieser Passus bezieht sich doch eindeutig auf eine christliche Dominanz.

Es ist wichtig, dass wir uns auf unsere eigene Geschichte besinnen, wenn Europa eine Seele bekommen soll. Die Tradition ist maßgeblich durch das Christentum geprägt. In anderen Kulturkreisen wird das auch so gesehen. Der höchste geistliche Würdenträger des Islam in Ägypten hat sich ja gerade diesbezüglich geäußert. So sagte er: Das Kopftuch ist nicht zwingend für den Islam. Er verstehe sehr gut, dass Länder wie Frankreich und Deutschland, die keine islamischen Länder sind, ihre eigene Geschichte tradieren. Menschen, die als Mohammedaner in diesen Ländern leben, haben auf diese Wurzeln Rücksicht zu nehmen.

Wie passt das zur Gleichstellung, die selbst Bundespräsident Rau fordert?

Die im Gesetz genannten Werte zeigen, dass die weltanschauliche Neutralität nicht verletzt wird. Sie sind bereits in der Verfassung verankert.

Aber es geht doch um die Gleichberechtigung anderer Religionen im eigenen Land.

Im Gesetz steht nicht: „auf der Grundlage des christlichen Glaubens“, sondern anknüpfend an die christliche Tradition. Von Menschen aus anderen Kulturkreisen, die in Deutschland leben, können wir erwarten, dass sie die christliche Tradition und Kultur achten.

Andere Religionen fordern öffentlichen Raum, indem etwa eine Moschee gebaut wird.

Es wird immer wieder neu zu diskutieren sein, inwiefern es zum Gleichheitsgrundsatz gehört, dass sie diesen Raum bekommen. Und inwieweit mit ihrer Förderung möglicherweise die eigene Kultur in Frage gestellt wird.

In Sachsen ist Religion Wahlpflichtfach. Man kann zwischen Religion und Ethik wählen. Soll der umfassende Ethikunterricht, der von den meisten Schülern in Sachsen besucht wird, nun der christlichen Tradition weichen?

Wirklichkeit ist, dass in Sachsen ungefähr 100.000 Kinder am Religionsunterricht teilnehmen. Junge Menschen stellen von sich aus Fragen nach dem Sinn des Lebens und der Religion. Es ist eine zunehmende Religiosität zu beobachten.

Worauf stützen Sie diese Behauptung?

Ich glaube, dass etwa die Erfolge von Büchern wie „Harry Potter“ und „Herr der Ringe“ deutlich machen, wie die spirituelle und religiöse Dimension, eine gewisse Metaebene, für die jungen Leute sehr attraktiv ist.

Diese haben aber nichts mit christlichen Werten zu tun.

Das ist richtig. Es zeigt aber, dass für das Leben nicht nur Wissen und soziale Kompetenz nötig sind. Würde, Wert und Sinn brauchen eine tiefere Begründung.

Glauben Sie, das man die Religion tatsächlich vor dem historischen Hintergrund der DDR wieder aktivieren kann?

Immer mehr Menschen spüren, dass religiöser Analphabetismus nicht gerade zur Lebensbewältigung hilft und von Menschen aus anderen Kulturkreisen intensiv hinterfragt wird.

Gibt es denn eine Konkurrenz unter den Religionen?

Ich halte es für beachtlich, wie sehr Muslime für ihren Glauben einstehen. Das ist eine Herausforderung, die zur Besinnung nötigt. INTERVIEW: EDITH KRESTA