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Archiv-Artikel

Im Sumpf der roten Nasen

Gestern stand Pro 7 ganz im Dienst der Spendenaktion „Red Nose Day“. Das Geld geht auch an den Verein PowerChild. Der hat zwar kaum Projekte – aber eine äußerst präsentable Schirmfrau

von SABINE JACOBS

Roten Nasen für den guten Zweck, unter diesem Motto hatte Pro 7 wochenlang die Werbetommel gerührt. Nicht ganz uneigennützig: Schließlich ist der „Red Nose Day“ eine nach englischem Vorbild ins Leben gerufene Spendenaktion, die Menschen bundesweit animieren soll, für den guten Zweck in die Tasche zu greifen – und der zugehörigen TV-Gala zu guten Quoten sowie dem Privatsender zum guten Image zu verhelfen.

Gestern war es so weit – und das Ganze für Pro 7 natürlich ein toller Erfolg. Doch was bleibt, ist ein schaler Nachgeschmack. Denn erst auf den letzten Drücker – vier Tage vor der TV-Gala – konnte endgültig geklärt werden, was mit dem Geld eigentlich passieren soll.

Schuld daran ist einer der drei vom Sender ausgewählten Spendenempfänger, der von Pro 7 als „renommiert“ gepriesene Münchener Verein PowerChild. Ins Leben gerufen wurde die Spendensammelorganisation im April 2002 von der Schauspielerin Veronika Ferres und ihrem Ehemann und PR-Manager Martin J. Krug. Und geriet kurz vor dem groß angekündigten Rotnasen-Event in Erklärungsnot: Laut Presseberichten fühlte sich nämlich ein Stuttgarter Kinderschutzverein von Veronica Ferres’ Organisation über den Tisch gezogen. Der Vorwurf: Die Schauspielerin bediene sich Kobra e. V. als Trittbrettfahrerin zur eigenen Imagepolitur. Tatsächlich betreibt der Stuttgarter Verein unter dem Projektnamen „PowerChild“ bereits seit zehn Jahren ein eigenes Kinder- und Jugendpräventionsprogramm – und arbeitet hier unter anderem mit der SWR-Jugendwelle SWR 3 zusammen. Der Kontakt zu Veronica Ferres war im Jahr 2000 bei einer Gala zustande gekommen, die Schauspielerin hatte sich angetan gezeigt und versprochen, das Projekt zu unterstützen.

Einmalzahlung

Doch bei der Gründung ihrer eigenen Charity bemächtigte sie sich kurzerhand des Namens ihres karitativen Findelkindes. Von den bis jetzt eingesammelten Geldern in sechsstelliger Höhe kam dem Original-PowerChild-Projekt bis heute aber lediglich eine Einmalzahlung von 25.000 Euro zu. Die Stuttgarter fühlten sich düpiert, es kam zum Zerwürfnis. Folge: Der Ferres-Verein PowerChild kündigte Kobra e. V. die Unterstützung auf.

Wer seitdem erfahren wollte, was mit den Geldern von Ferres‘ PowerChild konkret passiert, lief ins Leere. Auf der Homepage (www.power-child.de) erfährt man nur Vages zur allgemeinen Zielsetzung: etwa, dass sich „Schirmherrin Veronica Ferres“ zur Aufgabe gemacht habe, „Spendengelder für das Präventionsprogramm PowerChild gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen“ zu mobili- sieren. Ziel des „Präventionsprogramms“ sind die „Stärkung des Selbstvertrauens“ oder „Vermittlung von Handlungsfähigkeiten“. Um einiges deutlicher sind da schon die Hinweise auf weitere unterstützende Prominente und eine glanzvolle PowerChild-Gala, die im November im Münchner Nobelhotel Bayerischer Hof stattfand. Hinweise auf konkrete Projekte fehlen aber völlig.

Kein Wunder, denn während die PR-Maschinerie schon auf Hochtouren lief, suchte man im Hintergrund unter höchstem Zeitdruck noch nach geeigneten Spendenempfängern. Erst am Donnerstag, einen Tag vor der groß angekündigten „Red Nose Day“-TV-Gala, konnte PowerChild dann doch noch der Öffentlichkeit per Pressemitteilung ein Projekt präsentieren: – „Prätect“, ein Präventionsprogramm für Kinder- und Jugendliche des Bayerischen Jugendrings. Projektleiterin Christine Rudolf-Jilgs zeigte gegenüber der taz hoch erfreut und überrascht – sie wusste durch einen entsprechenden Anruf von Ferres-Manager Krug gerade mal seit Montag von ihrem Glück.

Vorgänge dieser Art werfen ein fragwürdiges Licht imagefördernder Spendenaktionen à la „Red Nose Day“. Dass bei der Auswahl der Förderprojekte die Werbewirksamkeit der begünstigten Organisationen eine entscheidende Rolle spielt, ist ein alter Hut. Und dass sich mit der Währung „Kinder“ das eigene Image am besten aufpolieren lässt, ist bestens belegt: Umfragen zeigen, dass Kinder- und Jugendprojekte mit 81,5 Prozent Zustimmung unter allen Sponsoringzwecken die höchste Akzeptanz genießen.

Kein Wunder also, dass neben PowerChild auch alle anderen von Pro 7 beglückten Organisationen Kinder und Jugendliche im Namen führen. Dass neben den beiden großen und renommierten Organisationen Deutsche Kindernothife und Deutsche Kinder- und Jugendstiftung der eher unbekannte, junge Ferres-Verein zu den Begünstigten zählt, hat einen anderen Grund: Schließlich schmückt sich PowerCild mit so bekannten Unterstützern wie Mario Adorf, Boris Becker oder Peter Maffay. Und dass die Beteiligung Prominenter zumindest eine Rolle gespielt hat, gibt Pro-7-Sprecher Julian Geist denn auch unumwunden zu.

Begehrte TV-Zeit

Andere Organisationen mit weniger leicht vermittelbaren Anliegen haben so das Nachsehen – und der für 2 Milliarden Euro Umsatz gute Spendenmarkt ist heiß umkämpft. Wer den Sprung auf die Mattscheibe schafft, hat gute Karten: Im laufenden TV-Programm eingeblendete Spendenkonten bringen pro Minute Sendezeit eine halbe Million Euro ein, schätzen Experten.

Doch wo die Gaudi im Vordergrund steht, ist man auf ernsthafte Nachfragen offenbar nicht eingestellt. Wie die eingenommenen „Red Nose Day“-Gelder bei Pro 7 verteilt werden sollen, entscheide man später – „hausintern und gemeinsam mit den begünstigten Organisationen“, heißt es dazu. Im Internet ist sogar von einem „unabhängigen Kuratorium“ die Rede, welches „gewährleistet, dass die Spenden ohne Abzüge verteilt werden“. Aktion kommt eben vor dem Zweck,die Transparenz bleibt dabei auf der Strecke.

Bleibt die Frage nach der Effizienz solcher Aktionen. Denn auch die Sache mit den Abzügen stellt sich bei genauerem Hinsehen zumindest etwas differenzierter da: Immerhin 2 Euro kosten die Plastiknasen, die für den guten Zweck verkauft wurden, lediglich 1,10 ist davon für den guten Zweck garantiert. 90 Cent für eine Plastiknase – dass dies ein stolzer Preis sei, räumt auch Pro-7-Sprecher Geist ein. Und rechtfertigt die Investition mit einem echten Gutmenschen-Argument: der angeblich besonders umwelt- und sozialverträglichen Fertigung des Plastikartikels.