schwabinger krawall: schwierige entsorgung von MICHAEL SAILER
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Er sei, sagt Herr Hammler, von Haus aus dagegen gewesen, ein solches Monstrum ins Haus zu holen, weil es sündhaft teuer und überhaupt nur was für Kinder sei, und ein solches habe man Gott sei Dank nicht mehr. Dann stehe das Ding ein paar Tage neben dem Fernseher, und schon könne man sehen, wie man es wieder loswird. Ein Weihnachten ohne Christbaum, sagt Frau Hammler, sei in ihrer Familie nicht denkbar. Dann solle sie gleich bei ihrer buckligen Verwandtschaft feiern, schreit Herr Hammler, und weil er dabei einen Moment unaufmerksam ist, rutscht ihm das Ende der geblümten Krawatte, die er von seiner Schwägerin als Geschenk erhalten hat, aus der Hand, worauf sich der Baum explosionsartig wieder entfaltet und ein gutes Pfund Nadeln in Gesicht und Wohnzimmer hineinschleudert. Zumindest, brüllt Herr Hammler, werde er in seinem Leben nie mehr den lumpigen Versprechungen des Baumhändlerpacks glauben, von wegen Nordmanntannen, die nicht nadeln. Er hätte, sagt seine Frau, den Baum halt ordnungsgemäß an Heiligdreikönig wegbringen sollen, dann bräuchte er jetzt nicht fluchen. Oder den Baum der Frau Reibeis schenken, die habe noch einen Ofen.

Da könne sie gleich mit Dynamit heizen, sagt Herr Hammler, denn wie jedes Kind wisse, zerreiße es mit trockenen Nadeln auch den stärksten Ofen, und wenn es die alte Schachtel gleich mitzerreiße, sei am Ende er verantwortlich wegen fahrlässigem Mord oder so was. Ein alter Baum gehöre in die Mülltonne. Aber in die Biotonne!, ruft seine Frau. Freilich, brüllt Herr Hammler, zersägen werde er das Ungetüm, damit es in diesen stinkenden Pestkübel hineinpasse, wo er es mit Hilfe der Weihnachtshandtücher von ihrer Tante endlich einigermaßen tragbar gemacht habe.

An der Aschentonne begegnet Herr Hammler dem Hausverwalter, der ihm erklärt, er sei wohl wahnsinnig, eine Fichte in den Hausmüll zu geben. Die gehöre zur Baumsammelstelle, sonst könne er die Strafgebühren wegen Fehlbeschickung eines Wertstoffbehälters zahlen. Nach einer Stunde Fußmarsch erfährt Herr Hammler an der Baumsammelstelle, Bäume mit Restlametta könne man aus Ökogründen nicht annehmen.

Nachdem ihm zwei Taxifahrer erklärt haben, sie dürften grundsätzlich keine Nadelholzgewächse befördern, kommt er bei Sonnenuntergang zu Hause an, wo seine Frau ein erstauntes Gesicht macht, als sie die vertraute Fichte wiedersieht. Als sie fragt, ob er den Baum so sehr ins Herz geschlossen habe, platzt Herrn Hammler der Kragen; er wirft das Gewächs mit einem animalischen Grunzlaut aus dem Wohnzimmerfenster in den Hof. Zehn Minuten später klingelt es; draußen steht Frau Reithofer: „Das war wohl der Sturm, der ihre Wäsche und den Christbaum runtergeweht hat. Zum Glück hab ich’s gesehen, bis morgen früh wäre das alles nicht mehr zu retten gewesen!“

„So!“, sagt Herr Hammler spätnachts, nachdem er den Baum in winzige Spreißel zersägt, diese tütenweise einzeln zur Mülltonne getragen und die letzte Hand voll Sägemehl ins Klo gespült hat, „und dieses Jahr kaufe ich endgültig einen Plastikbaum. Den kann man wenigstens hinschmeißen, wo man will.“