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Archiv-Artikel

Informationen als Waffe

Im Krieg, heißt es, stirbt die Wahrheit zuerst. Aber auch vorher geht’s ihr schon richtig schlecht: Mit „Büros zur strategischen Einflussnahme“ setzt das Weiße Haus US-freundliche Nachrichten in die Welt

von DIRK ECKERT

Kurz vor einem möglichen Kriegsbeginn hatte die Bush-Administration einen bemerkenswerten Abgang zu verzeichnen. Charlotte Beers, die Staatssekretärin für „Public Diplomacy and Public Affairs“, verlässt die Regierung. Aus Gesundheitsgründen, wie Außenminister Colin Powell lakonisch mitteilte. Als ihre Nachfolgerin präsentierte die Washington Post am Freitag Margaret Tutwiler, bislang US-Botschafterin in Marokko.

Powell hatte die 67-jährige Werbeexpertin Beers nach dem 11. September in sein Ministerium geholt, um das Image der USA in der Welt aufzupolieren. Beers, die auf eine lange Karriere in der Werbebranche zurückblickt und unter anderem für den Erfolg von „Uncle Ben’s“-Reis verantwortlich ist, gründete das „Radio Sawa“, einen Jugendsender für den arabischen Raum, und ließ Werbefilme drehen, die vom schönen Leben der Muslime in den USA erzählen.

Doch das war dem Weißen Haus wohl zu wenig. Am 21. Januar richtete Präsident George W. Bush per Dekret das „Office of Global Communications“ (OGC) ein, das mit der Aufgabe betraut ist, die „Interessen der Vereinigten Staaten im Ausland zu fördern, Missverständnissen vorzubeugen und Unterstützung für und innerhalb der Verbündeten aufzubauen sowie ein internationales Publikum zu informieren“.

Das neue Büro betreibt nicht nur Imagepflege, sondern koordiniert die gesamte Pressearbeit der Regierung und füttert die Öffentlichkeit mit Themen wie „Saddams Desinformation und Propaganda“ oder Wiederaufbau in Afghanistan. Das direkt im Weißen Haus angesiedelte Büro soll außerdem in Zusammenarbeit mit dem Außenministerium die Beziehungen zu Nachrichtensendern in der arabischen Welt verbessern und gemeinsam mit Außen- und Verteidigungsministerium „Anschuldigungen und Gerüchten“ im „Krieg gegen Terror“ entgegentreten. Damit ist jetzt auch die Machtfrage zwischen den verschiedenen Ministerien geklärt.

Nicht nur Powell, auch Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hatte nach dem 11. September seine eigene PR-Abteilung angekündet. Das „Office of Strategic Influence“, das Informationen, aber auch Falschinformationen an ausländische Medien geben sollte, verursachte bei Bürgerrechtlern und Medien einigen Wirbel.

Rumsfeld sah sich genötigt klarzustellen, dass sein Ministerium gegenüber US-Bürgern wie gegenüber der ganzen Welt nichts als die Wahrheit sage. Erst im November 2002 äußerte er sich dann dahingehend, dass er lediglich wegen der großen öffentlichen Empörung den Namen aufgegeben habe.

Für die Militärs ist die PR-Arbeit allerdings mehr als nur ein Wettrennen in der Administration, welches Ministerium die meisten Kompetenzen an Land ziehen kann. Seit Jahren arbeiten Militärplaner daran, die Informationspolitik zu einem Teil der Kriegsführung zu machen. 1996 bekam die Army ein „Field Manual“ zu so genannten Informationsoperationen. 1998 wurde eine Doktrin für alle Teilstreitkräfte erlassen, die „Joint Doctrine for Information Operations“. Darin wird die Beeinflussung der Medien als Teil der Kriegsführung beschrieben, die schon vor dem eigentlichen Krieg zu beginnen habe und auch noch nach Einstellung der Kampfhandlungen andauern solle.

Am 4. Januar 2002 wurde eine Doktrin für die Air Force erlassen, in der „Public Affairs (PA) Operations“ als Teil von offensiven Gegeninformationsoperationen aufgeführt werden, die „zu globaler Beeinflussung und Abschreckung“ beitragen könnten, „indem sie ausländischen Führern die US-Fähigkeiten bewusst machen und indem sie feindlicher Propaganda mit der Wahrheit entgegenwirken“.

Welche Folgen solche Militärrichtlinien haben, machte der Militärexperte William Arkin am 24. November 2002 in der Los Angeles Times deutlich. „Die neue Politik der Administration und die Schritte, die die Kommandierenden unternehmen, um diese zu implementieren, verwischen zunehmend – oder tilgen sogar ganz – die Grenzen zwischen sachlicher Information und Nachrichten einerseits und Public Relations, Propaganda und psychologischer Kriegsführung andererseits“, kritisierte Arkin. „Während die Politik angeblich auf äußere Feinde abzielt, ist ihr wahrscheinlichstes Opfer die amerikanische Wählerschaft.“

Nicht nur die eigene Wählerschaft, auch die Verbündeten sind mittlerweile ins Visier der Militärs gerückt. Wie die New York Times am 16. Dezember 2002 berichtete, überlegt das Pentagon, verdeckte Propagandaoperationen in befreundeten und neutralen Ländern durchzuführen. Deutschland und Pakistan werden genannt. Im Verteidigungsministerium hat das Vorhaben laut NYT allerdings zu Meinungsverschiedenheiten geführt. Demnach sind nicht alle Pentagon-Mitarbeiter, egal ob Zivilisten oder Militärs, angetan von der Idee, dass das Militär Journalisten bezahlt, um US-freundliche Texte zu schreiben, oder dass private Firmen Demonstrationen für die USA organisieren. Eine entsprechende Direktive, die den Namen „3600.1, Information Operations“ haben soll, ist allerdings noch nicht beschlossene Sache.