: Knappste Rettung
Höhere Studiengebühren beschlossen. Protest erwartet
DUBLIN taz ■ Eine Niederlage bei dieser Abstimmung hätte Tony Blair am Dienstag möglicherweise schon heftiger in Bedrängnis gebracht als der Hutton-Bericht. Seit 1986 ist kein Premier bei einer Abstimmung über seine eigene Partei gestolpert. Blair drohte in diesem Fall mit der Vertrauensfrage. Am Ende langte es aber. Die Regierung gewann das Votum über höhere Studiengebühren mit fünf Stimmen Mehrheit. Doch es war die größte Rebellion seit Blairs Amtsantritt, die theoretische Labour-Mehrheit von 161 Sitzen hätte fast nicht gereicht: 72 Labour-Abgeordnete stimmten dagegen, 19 enthielten sich.
Am Morgen hatte alles auf eine Niederlage für Blair hingedeutet. Sein Stellvertreter John Prescott sagte: „Wenn man sich die Mehrheitsverhältnisse ansieht, wird die Regierung wohl unterliegen.“ Doch niemand hatte damit gerechnet, dass ausgerechnet Nick Brown ins Regierungslager umschwenken würde. Der frühere Landwirtschaftsminister und Fraktionschef war Wortführer der Rebellen. Nach seinem überraschenden Meinungswandel bröckelte die Front. „Die Konzessionen, die die Regierung zugestanden hat, reichen mir aus“, begründete Brown seinen Schritt.
Es waren keine wirklichen Zugeständnisse. Die Regierung versprach nur, dass der Höchstbetrag von jährlich 3.000 Pfund, den die Universitäten festlegen dürfen, bis 2010 nicht angehoben werden darf. Außerdem soll eine Untersuchung klären, ob die neuen Gebühren Auswirkungen auf die Immatrikulationen in bestimmten Fächern haben – eine nutzlose Übung, wie der Bildungsexperte der Tories, Tim Yeo, anmerkte, treten die neuen Gebühren doch erst 2006 in Kraft.
Die Labour-Rebellen monierten, an den Unis werde die freie Marktwirtschaft regieren. Lediglich reiche Studenten könnten sich Eliteanstalten wir Oxford und Cambridge noch leisten, die anderen müssten auf mittelmäßige Universitäten. Außerdem habe Labour vor drei Jahren versprochen, die Studiengebühren in dieser Legislaturperiode nicht zu erhöhen. „Tun wir ja auch nicht“, entgegnete die Regierung: Das Gesetz trete erst in der kommenden Legislaturperiode in Kraft. Darüber hinaus, so Blair, werden die Gebühren erst nach Berufseintritt der Studenten fällig und erst ab einem bestimmten Gehalt.
Phil Willis, bildungspolitischer Sprecher der Liberalen Demokraten, sagte: „Diese Bildungspolitik, die Labour betreibt, ist lupenreine Tory-Doktrin von 1984, aufgestellt von Margaret Thatcher. Eine ziemliche Ironie, dass die Labour-Abgeordneten heute diese Politik unterstützen, während die Tories dagegen stimmen.“
In Wirklichkeit unterstützt eine Mehrheit der Labour-Abgeordneten diese Politik keineswegs. Blair hatte höhere Studiengebühren zum „Flaggschiff der Reform der öffentlichen Dienste“ erklärt und mit der Vertrauensfrage gedroht. So stimmten viele Labour-Abgeordnete dann doch für Blair.
Noch ist er aber nicht gerettet. Die Studentenverbände haben Proteste angekündigt, während die Vorlage die restlichen Stationen des Parlaments durchläuft, bevor sie Gesetz wird. Ende Februar wird es einen „Aktionstag“ an den Universitäten geben. Mandy Telford, Präsidentin des Nationalen Studentenverbandes, sagte: „Wir wissen, und Nick Brown weiß es auch, dass die Studiengebühren der Ausbildung schweren Schaden zufügen werden. Die Überprüfung des Gesetzes wird uns später Recht geben, und dann sind wir wieder da, wo wir angefangen haben: auf der Suche nach einem fairen Finanzmodell.“ RALF SOTSCHECK